01.01.1996

Bundeswehr als Freiwilligenarmee

Die Jungen Liberalen erkennen die großen Verdienste der Bundeswehr für die Sicherung des Friedens in Europa an. Die Wehrpflichtarmee war jahrzehntelang ein nicht wegzudenkender Bestandteil unserer Demokratie. Die Jungen Liberalen halten die allgemeine Wehrpflicht jedoch nicht mehr für zukunftsfähig. Sie ist aus Wehrgerechtigkeitsgründen, aufgrund des Wegfalls der Bedrohung durch die ehemaligen Mitgliedsstaaten des Warschauer Vertrages und wegen der gestiegenen internationalen Verantwortung Deutschlands nicht mehr aufrechtzuerhalten.


Gründe für ein Umdenken bei der Wehrpflicht

Gerechtigkeit schaffen

Die Wehrgerechtigkeit ist ein drängendes Problem der Bundeswehr als Wehrpflichtarmee. Schon derzeit sind die Wehrpflichtausnahmen für Theologiestudenten oder dritte Söhne nicht nachvollziehbar und widersprechen dem grundgesetzlich garantierten Gleichheitsgrundsatz. Die Reduzierung der Bundeswehr reduziert die Anzahl der Wehrdienstleistenden weiter. Die Wehrungerechtigkeit hat bereits eklatante Ausmaße angenommen und wird bei einem weiteren Senken der Sollstärke zusätzlich verschärft. Eine weitere Reduzierung ist keine Lösung, da sie zwangsläufig in militärisch nicht tragbarer Weise zu Lasten der Ausbildung gehen und die Leistungsunterschiede zwischen Wehrpflichtigen und Berufssoldaten weiter erhöhen würde.

Veränderten Anforderungen begegnen

Die Reduzierung der Bundeswehr aufgrund eines stabilen Netzes internationaler Verträge, die veränderte Sicherheitslage in Mitteleuropa und die gestiegene Verantwortung des vereinigten Deutschlands in der Welt erfordern neue Antworten für die Organisation der äußeren Sicherheit Deutschlands.

Die in Anbetracht der nuklearen Gefahrenpotentiale ohnehin seit Jahren fragwürdige Konzeption der Mann – und materialintensiven konventionellen „Vorne-Verteidigung“ zur Abwehr einer potentiellen Invasion aus dem Osten ist gegenstandslos geworden. Der dafür ursprünglich erforderliche hohe Mobilisierungsstandard, der durch die Wehrpflicht gewährleistet werden konnte. ist heute entbehrlich.

Künftig muß Deutschland in der Lage sein, im Rahmen der UNO, der KSZE und der NATO flexibel auf Bedrohungen reagieren zu können. Dazu gehört auch die Beteiligung der Bundeswehr an UN-Missionen, auf die Wehrpflichtige aber zumindest aus Gründen der Legitimität nicht verpflichtet werden können. Zudem erscheint bei einer weiter verkürzten Ausbildungszeit der Wehrpflichtigen deren Einsatz bei UN-Missionen militärisch nicht mehr verantwortbar.

Zur Gewährleistung der aufgezeigten militärischen Aufgaben bedarf es einer allgemeinen Wehrpflicht nicht, die unter den veränderten Bedingungen einen illegitimen Eingriff in die elementaren Freiheitsrechte junger Männer darstellt.


Neue Strukturen für die Bundeswehr

Die Jungen Liberalen treten für eine Bundeswehr aus freiwillig dienenden Zeit- und Berufssoldaten ein. Sie ist durch ein Aussetzen der allgemeinen Wehrpflicht durch ein Bundesgesetz zu schaffen. Im Gegensatz zur allgemeinen Dienstpflicht ist dies ohne Grundgesetzänderung möglich (Art. 12 a GG). Bei einer veränderten Sicherheitslage kann der Staat die allgemeine Wehrpflicht per Gesetz wieder einführen. Ein hoher Anteil aus Kurzzeit dienenden Zeitsoldaten gewährleistet einen ständigen Austausch zwischen Bevölkerung und Bundeswehr. Die Vergütungs- und Ausbildungsbedingungen sind so zu schaffen, daß ein möglichst breiter Querschnitt der Gesellschaft in der Bundeswehr repräsentiert ist. Die Gefahr, daß die Bundeswehr als Freiwilligenarmee einen „Staat im Staate“ bilden könnte, ist gering, zumal die Erfahrungen mit den demokratisch verankerten Freiwilligenarmeen Großbritanniens und Japans das Gegenteil belegen. Darüber hinaus muß die Freiwilligenarmee Frauen den uneingeschränkten Zugang in die Bundeswehr ermöglichen. Es sind dabei gleichberechtigte Ausbildungs- und Aufstiegschancen zu schaffen. Dies beinhaltet auch den Dienst an der Waffe.

Für diese Freiwilligenarmee ist eine angemessene Personalvertretung wie im öffentlichen Dienst zu schaffen. Bis zur Einführung einer Freiwilligenarmee soll die Notwendigkeit zur Darlegung der Gründe für die Kriegsdienstverweigerung entfallen.


Umgestaltung der bisherigen Ersatzdienste

Eine Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht leitet unweigerlich eine neue Dimension des Pflegenotstandes ein. Zivildienstleistende müssen heute die „Lückenbüßer“ für eine verfehlte Sozialpolitik spielen. Die Jungen Liberalen halten an dem gesetzlich festgelegten Grundsatz der Beschäftigungsneutralität des Zivildienstes fest. Es ist unredlich, die allgemeine Wehrpflicht mit dem Argument beizubehalten, daß ohne sie der Pflegebereich zusammenbrechen würde. Der Gesetzgeber muß für die zukünftigen Generationen vertretbare Konsequenzen aus dem Strukturproblem im Sozialbereich ziehen. Dies ist Voraussetzung für eine umfassende Finanzierung unseres Sozialsystems. Es muß eine spürbare Verbesserung der Vergütungsbedingungen für Pflegeberufe erfolgen. Das achtjährige Verpflichten in einer Organisation des Zivil- und Katastrophenschutzes war in der Vergangenheit eine attraktive Alternative zum Wehr- und Zivildienst. Die Strukturen im Zivil- und Katatrophenschutz überschneiden sich jedoch derzeit, sind unflexibel und teuer. Darüber hinaus ist der erweiterte Katastrophenschutz (z.B. im Verteidigungsfall) durch eine veränderte Sicherheitslage in Mitteleuropa überholt. Die Aufgaben der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk sowie der kommunalen Regieeinheiten (z.B. ABC-Einheiten) sollen von Feuerwehren und Bundeswehr übernommen werden. Die Mitarbeit in den übrigen Organisationen des Zivil- und Katastrophenschutzes muß künftig auf freiwilliger Basis erfolgen.


Keine allgemeine Dienstpflicht

Die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht kann mit den in der Verfassung garantierten individuellen Persönlichkeitsrechten nicht vereinbart werden und ist abzulehnen. Der Staat darf nur dann in die Grundrechte eingreifen, wenn es für das Wohl der Allgemeinheit unabdingbar ist. Die Jungen Liberalen treten daher auch hier dafür ein, mehr Freiheit für mehr Menschen zu schaffen. Das Argument, die Dienstpflicht stärke das soziale Verantwortungsgefühl und begegne der Konsummentalität junger Menschen, ist verfehlt, da Verantwortung auf freiwilliger Entscheidung beruht, nicht auf Pflicht. Abgesehen davon überwiegt der volkswirtschaftliche Nutzen der sich beruflich und wirtschaftlich frei betätigenden Nicht – Dienstverpflichteten dem der Dienstpflicht bei weitem.


Freiwilligendienst aufwerten

Das freiwillige Engagement junger Menschen muß eine deutliche gesellschaftliche Aufwertung erfahren. Die Mitarbeit im Sozial- und Entwicklungsdienst, im Zivilschutz und im ökologischen Bereich muß finanziell attraktiv gestaltet werden. Den Teil nehmenden dürfen keinerlei Nachteile in Bezug auf ihren weiteren Berufs – und Lebensweg entstehen. Genauso wichtig ist aber die gesellschaftlich – politische Unterstützung für junge Menschen, die sich engagieren. Wenn jegliches Argument in der Diskussion um Ausbildungszeitverkürzung auf einen möglichst schnellen Abschluß gelegt wird, kann die Gesellschaft kein Engagement mehr erwarten. Nicht junge Menschen, die sich freiwillig engagieren, sollten sich dafür rechtfertigen müssen, sondern diejenigen, die sich ausschließlich auf eigene Interessen konzentrieren.

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