[Juliette 2/2016] – Face Off/Contra: Das bedingungslose Grundeinkommen

Ist das noch liberal?

Wer wünscht sich das nicht? Tun und lassen zu können, was er gerne möchte, und trotzdem ein sorgenfreies Leben haben. Schönes Konzept, klingt auch erstmal nach Liberalismus. Hat leider viele Probleme, von denen ich hier nur die drei Wichtigsten betrachten möchte. Ach und bevor hier jemand was anderes denkt – liberal ist es auch nicht.
Aber ich will nicht zu weit vorgreifen. Welche Probleme hab ich mit diesem System der Umverteilung? Ja, Umverteilung! Die wenigsten benutzen dieses Wort, aber auch ein liberales Bürgergeld ist ein System der Umverteilung. Und das ist schon das erste Problem. Umverteilung heißt immer auch, dass ich irgendjemandem Geld wegnehme. Irgendjemandem? Nein, erstmal allen, die arbeiten und heute schon mehr verdienen als ein hypothetisches Grundeinkommen hoch ist. Die zahlen also schon einmal drauf. Soweit nichts Neues: Auch heute zahlen alle, die arbeiten, die Absicherung für andere. Der Theorie nach müsste auch keiner mehr bezahlen als vorher. Bürokratieabbau und das Geld, welches wir heute schon ins System stecken, soll angeblich ausreichend sein, um ein Grundeinkommen für jeden zu sichern. Zusätzlich soll jeder mit dem Grundeinkommen nachher mehr Geld erhalten als heute für die Absicherung vorgesehen ist.
Hier steckt der Kern des Problems. Es gibt einen Grund, warum die heutige Absicherung geringer ist. Sie ist richterlich überprüft und soll für ein menschenwürdiges Leben reichen. Mehr als eine Grundsicherung für Lebensrisiken sollte der Staat im liberalen Konzept nicht einnehmen. Denn warum sollte ich anderen mehr Geld wegnehmen als ich für diese Grundsicherung brauche? Das kann doch nicht gerecht und schon gar nicht liberal sein!
Zweiter Fehler im System. Es gibt viele Aufgaben, die von Menschen erledigt werden müssen, die keinen Spaß machen. Oft ist auch die Wertschöpfung dieser Tätigkeiten keine große. In einer Welt, in der jeder nur noch das tut, wozu er Lust hat, wer bringt da den Müll weg oder putzt oder arbeitet an Weihnachten? Also wenn ich die Wahl hätte, würde ich das nicht machen. Aber die Frage muss das System ja nicht beantworten, oder? Einer wird sich dann schon aus Nächstenliebe opfern. Ist heute ja schon so, dass unser System aus Nächstenliebe funktioniert – auf diesen Punkt komme ich gleich zurück.
Wir sehen also es funktioniert nicht, dass jeder nur tut was er will und die Welt trotzdem funktioniert wie heute. Mit der schönen neuen Freiheit beim Grundeinkommen ist es wohl schnell vorbei. Spätestens dann, wenn der Mülleimer voll ist.
Kommen wir aber nochmal zurück zur Nächstenliebe und damit zum dritten Problem. Adam Smith hat einmal gesagt er verlasse sich nicht auf die Nächstenliebe des Bäckers, um frische Brötchen zu bekommen, sondern auf das wirtschaftliche Eigeninteresse des Bäckers. Einfach gesagt: Mit Nächstenliebe funktioniert die Marktwirtschaft nicht. Mit dem Grundeinkommen stirbt entweder die Marktwirtschaft oder sie reagiert einfach mit steigenden Preisen, um diese Effekte auszugleichen. Ich tippe ja auf die ausgleichende Wirkung. Dann bleibt aber alles beim alten. Das Grundeinkommen wird zu einer Grundsicherung. Gewonnen ist damit gar nichts.
Ich fasse das mal kurz zusammen: Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen nehmen wir den Leistungsträgern mehr Geld weg als notwendig, wirklich tun und lassen können, was man will, werden wir auch nicht in höherem Maße als heute schon und letztendlich sind die Auswirkungen auf unser marktwirtschaftliches System eher fraglich.

Von Steffen Seitter.