[Juliette 2/2016] – Face Off/Pro: Das bedingungslose Grundeinkommen

Traum einer besseren Welt

Es gibt Menschen in unserer Gesellschaft, die nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu finanzieren. Es gab sie immer und wird es auch immer geben. Es ist seit langem unter Liberalen Konsens, dass wir diese Menschen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, sondern dass es Aufgabe der Gesellschaft, dafür zu sorgen, dass jeder Mensch ein menschenwürdiges Leben leben kann.
Doch gerade wir Liberale tun uns mit der konkreten Umsetzung schwer. Auf der einen Seite stehen wir für einen Staat, der die Umverteilung der erwirtschafteten Güter auf das notwendige beschränkt – auf der anderen Seite ist ein soziales Sicherungssystem teuer und nur durch Umverteilung zu beschränken. Auf der einen Seite wollen wir auch Sozialleistungsempfängern ein eigenverantwortliches Leben ermöglichen, auf der anderen Seite wollen wir, dass Sozialleistungen nur denen gezahlt werden, die es auch wirklich nötig haben, was ohne effektive Kontroll- und Überwachungssysteme kaum möglich erscheint.
Andere politische Richtungen tun sich mit dem Dilemma naturgemäß leichter. Linke, Sozialdemokraten und Grüne haben erfahrungsgemäß wenig Probleme mit einer überbordenden Umverteilung – welchen Einfluss das auf die Erwirtschaftung der zu verteilenden Güter hat, ist da erstmal zweitrangig. Kombiniert man das mit den konservativen Flügeln unserer Parteienlandschaft kommt das heraus, was wir heute unser Sozialsystem nennen: Ein unüberschaubarer Behördendschungel, der ein noch unüberschaubareres WirrWarr an Sozialleistungen verwaltet und auf der anderen Seite unfassbaren Aufwand betreibt, um Anspruchsteller aufs genaueste zu überprüfen, kontrollieren und klein zu halten. Effizient ist das jedenfalls nicht.
Den Kampf gegen diesen Apparat aufzunehmen ist eins der Themen, was uns immer wieder – und immer wieder ergebnislos – beschäftigt. Vor allem auch deswegen, weil große Teile des Apparates eben auch unseren Vorstellungen entsprungen sind.
Eventuell wäre es aus liberaler Sicht Zeit zu einer Radikallösung zu greifen. Bedingungsloses Grundeinkommen heißt das Zauberwort. Wir haben darüber vor Jahren mehrmals auf Landeskongressen diskutiert und es jedesmal mit großer Mehrheit abgelehnt. Aber vielleicht wird es an der Zeit diese Entscheidung zu überdenken.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen bedeutet schlicht und einfach, dass jedem Bürger jeden Monat ein bestimmter Betrag zur Verfügung gestellt wird, der das minimale Existenzniveau abdecken soll. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und bedingungslos heißt in dem Fall wirklich bedingungslos. Es gibt keinerlei Bedarfsprüfung mehr, keine Anrechnung von Zusatzeinkommen. Die Bürokratie darf dahin gehen, wo der Pfeffer wächst.
Zwar mag es einem merkwürdig vorkommen, dass auch diejenigen, die gar keinen Bedarf haben, von einer solchen Leistungen profitieren sollen, jedoch spricht viel dafür das Konzept konsequent durchzuziehen: Nur so wird eine alte liberale Forderung dann auch Wirklichkeit: Dass jeder, der sich selbst etwas verdient, dies auch behalten darf und deswegen nicht den Verlust seiner Sozialleistungen befürchten muss. Arbeit muss sich wieder lohnen.
Und überhaupt: Alle Modelle von bedingungslosen Grundeinkommen legen zur Finanzierung eine radikale Vereinfachung des Steuersystems zu Grunde. Teilweise auf Einkommenssteuerbasis, teilweise auf Konsumsteuerbasis. Das sind ja auch Konzepte, die uns Liberalen nicht ganz fremd sind…
Zwar wird man naheliegenderweise dem bedingungslosen Grundeinkommen eine
gewisse Realitätsferne unterstellen können, aber Modellversuche gibt es bereits. Und von einer besseren Gesellschaft zu träumen, ist ja immer noch die Basis sie eines Tages zu erreichen.

Von Emanuel Kollmann.