[Juliette 4/2016] – Verkehrte Verkehrspolitik: Mobilität neu denken

Eine Billion und einhundertdreiundsiebzig Milliarden Kilometer. So weite Strecken haben die Deutschen laut ADAC alleine im eigenen Land im Jahr 2008 zu Fuß, mit dem Rad, im Auto oder in öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt – das entspricht 1,65 Millionen Mal dem Weg zum Mond und zurück.
Im Jahr 2016 sind die Erfordernisse an die individuelle Mobilität dabei nicht geringer geworden. Häufigere Wohnortwechsel, tendenziell längere Arbeitswege und weitere Wege bei der Freizeitgestaltung lassen den Bedarf an effizienten Mobilitätslösungen hier und andernorts weiter wachsen. Dabei werden die Lösungsansätze durch neue technologische Errungenschaften wie das autonome Fahren immer bunter.
Doch welche Rolle kann (und soll) die Politik spielen, um den Bedürfnissen einer immer mobileren Bevölkerung gerecht zu werden? Mit ihrer realitätsfremden Zielsetzung, bis 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen zu bringen sowie der kürzlich erhobenen Forderung, die Zulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ab 2030 ganz zu verweigern, hat sich die Bundesregierung einmal mehr für ihre Bürger entschieden. Einmal mehr ohne überhaupt auf deren Bedürfnisse zu hören.
Denn tatsächlich sind diese weitaus umfangreicher als dass ein einziges Konzept den Königsweg darstellen könnte. Der Personenverkehr braucht das Elektroauto zur Reinhaltung der Luft in städtischen Ballungsräumen ebenso wie den konventionellen Verbrenner für die Fahrt in den Familienurlaub, das eigene Auto zur Maximierung der individuellen Flexibilität, genauso wie öffentliche Verkehrsmittel zur Entlastung der Verkehrsachsen sowie als Mobilitätsgarant für alle sozialen Schichten.
Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, den Menschen die Entscheidung abzunehmen, wie sie von A nach B kommen sollen. Aber er kann einiges dafür tun, dass dieser Weg volkswirtschaftlich effizient und umweltverträglich absolviert werden kann.
Dazu würde gehören, durch Investitionen in Straße und Schiene Staus und Verspätungen abzubauen. Die finanziell eingeschränkten Kommunen bei der Bereitstellung des ÖPNV zu unterstützen und Anreize zu schaffen, bestehende Grenzen zwischen den Verkehrsverbünden abzuschaffen. Regulatorische Hürden, die gegenwärtig einen flächendeckenden Aufbau von Carsharing verhindern oder private Vermittlungsdienste wie Uber gänzlich vom Markt ausschließen, abzuschaffen. Aber auch, Mobilität als ein multimodales Konzept zu verstehen, das vom rostigen Fahrrad bis zum Hochgeschwindigkeitszug reicht und welches Flexibilität zwischen diesen Transportmitteln garantiert.
Gerade wir als junge Generation sind diese Wahlfreiheit gewohnt und in besonderer Weise auf sie angewiesen. Wo das eigene Auto zu teuer oder in Städten zu unpraktisch ist, suchen sich insbesondere junge Menschen umweltfreundliche und effiziente Alternativen – schon heute. Dafür brauchen sie allerdings keine paternalistisch verordnete Verkehrspolitik, sondern in erster Linie die entsprechende Infrastruktur. Vielleicht besinnt man sich in Zeiten maroder Straßen und verspäteter Züge endlich einmal wieder auf die Basics anstatt den Bürgern vorzuschreiben, ob sie Strom oder Diesel tanken sollen für die nächsten 1,65 Millionen Reisen zum Mond.

Von Valentin Christian Abel.