[Juliette 1/2017] – Sexualität selbstbestimmt ausleben: Was kann der Staat tun?

Für uns Liberale ist es von enormer Wichtigkeit, dass alle ihre Sexualität und ihr Gender ausleben dürfen, wie sie individuell wollen. Gleichberechtigung ist hierbei das Schlüsselwort – ohne das geht’s nicht. Doch wie genau soll Gleichberechtigung aussehen, und viel wichtiger – ab wann wird Gleichberechtigung zur Gleichstellung? Eine Überlegung.

Vorweg: Es ist klar zwischen Gleichberechtigung und Gleichstellung zu differenzieren. Um direkt einen Einstiegsfall darzustellen: Ehe für nicht-heterosexuelle Beziehungen. Ich stelle mir da immer die Frage: Wieso? Die Ehe ist ein Konstrukt, das von der Kirche definiert wurde, und ein Bündnis zwischen Mann und Frau darstellt. Muss man die stark konservative Kirche verbiegen? Wenn man Glaube für sich selbst interpretiert, kann man auch ohne sie sich vor Gott binden lassen. Dazu noch eine Art eingetragene Lebensgemeinschaft, die dieselben Rechte und Verpflichtungen wie eine Ehe mit sich bringt, und wir haben Gleichberechtigung erreicht. Damit werden alle gleich behandelt, den Bedingungen entsprechend, ohne alle zwanghaft gleichzustellen. Das ist ein perfektes Beispiel, wie eine Rahmenkonstruktion, vom Staat ausgehend, ausreicht, um Menschen ein frei wählbares Leben zu ermöglichen, ohne Nachteile davonzutragen.

Ebenfalls ein brisantes Beispiel: Toiletten. Es gibt Gruppen innerhalb der LGBTQ+ Community, die eine dritte Toilette neben Damen und Herren fordern, und zwar für eben jene Community. Da stelle ich mir die Frage: Ist durch diese Gleichstellung nicht eine Diskriminierung erreicht? Anstatt gesunden Menschenverstand zu predigen, dass die Leute sich nicht so anstellen sollen (für gewöhnlich sieht man andere Personen eher nicht in den Toilettenkabinen…), geht man einen – nebenbei logistisch wahnwitzigen – Weg, der noch größeren Differenzierung und somit eine bessere Integration in die Gesellschaft verhindert? Ich kenne transsexuelle und androgyne, genderwechselnde Personen, und kann natürlich nur durch ihre Erzählungen in sehr kleinem Maße ihren täglichen Kampf vorstellen, da alles in „Mann“ und „Frau“ unterteilt wird, und es ihnen schwer fällt, einen Platz in so einer Gesellschaft zu finden. Jedoch sehen diese Personen das genauso: Man erschafft eine Parallelgesellschaft, wenn man neue Räumlichkeiten baut. Im Gegensatz zur Kirche muss man hier den sehr steinigen Weg gehen, und die engstirnigen Teile der Bevölkerung davon überzeugen, dass der moderne Mensch nicht zwingend Mann oder Frau sein muss. Hier darf auch der Staat mithelfen.
Kurzum: Wir sind auf dem richtigen Weg, aber bis zur absoluten Gleichberechtigung werden noch viele Schritte, Fehler und Sprünge getan. Am wichtigsten ist aber: Egal, welches biologische und gesellschaftliche Geschlecht ihr habt, welche Sexualität euch anspricht: Denkt nach, bevor ihr Forderungen herausposaunt, anklagt und verurteilt!

Von Pascal Teuke.