[Juliette 2/2017] – Europa – Eine Frage der Identität

Als Liberaler fühlt man sich nicht nur der politischen Strömung des Liberalismus verpflichtet, sondern insbesondere auch dem größten europäischen Erfolgs- und Friedensprojekt überhaupt – der Idee eines geeinten Europas. Ein klares Bekenntnis zu Europa ist für freiheitlich denkende Menschen eine Selbstverständlichkeit, allerdings immer wohlwissend, dass das nicht bedeutet, dem Status quo verhaftet zu bleiben. Weiterhin ist es ja Pflicht und Vermächtnis zugleich, ein Europa zu verfolgen, in welchem die Devise „Einheit in Vielfalt“ gilt. Das unterscheidet uns auch von denjenigen, bei denen ein geeintes Europa immer mit einem vereinheitlichten Europa gleichzusetzen ist – oder, um es mit anderen Worten zu sagen, wo die Devise „Vielfalt in Einheit“ gilt. In genau diesem Trugschluss liegt zumeist die Ursache, warum einige Menschen sagen, die Europäische Union sei ja nichts weiter als ein riesiges Bürokratiemonster, in dem das Interesse der einzelnen Mitgliedstaaten eh keine Rolle spiele. Die nationalistischen Tendenzen und deren Vertreter, die sich innerhalb der letzten Jahre Gehör verschafft haben, haben sich im Großen und Ganzen genau das zu Nutze gemacht, um ihre antieuropäische Kampagne zum Laufen zu bringen. Bestätigt gesehen haben sie sich unter anderem durch den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union – dem Brexit.
Als Liberaler weiß man jedoch, dass sich die Zugehörigkeit zur Europäischen Union und die Akzentuierung nationaler Interessen keineswegs ausschließen, sondern sich passend ergänzen können – eben „Einheit in Vielfalt“. Deswegen tun wir gut daran, die europäische Idee dahingehend weiterzuentwickeln, dass die einzelnen Mitgliedstaaten ihre Kernkompetenzen bestmöglich einbringen können. Jene Stärken sind danach nur noch gebündelt zu koordinieren, um Synergieeffekte in allen Facetten zu ergeben. Die beste Adresse für ein geeintes und vielfältiges Europa sind und bleiben freiheitlich denkende Individuen, die kein Zurück zu Nationalismus, geschlossenen Grenzen, Schlagbäumen oder sonstigen die Freiheit Einzelner einschränkenden Maßnahmen propagieren, sondern die sich der Zukunft Europas verpflichtet fühlen.
Kurzum: Die Frage nach dem zukünftigen Werdegangs Europas – oder wie der Lateiner sagen würde „Quo vadis, Europae?“ – lässt sich am zutreffendsten mit „En Marche!“ für Freiheit, Vielfältigkeit und dem Bewusstsein einer eigenen Identität beantworten. Die liberalen Erfolge in Frankreich und nicht zuletzt in Deutschland haben gezeigt, dass eine europäische Haltung auch weiterhin Zustimmung findet und gewollt ist. Es lohnt sich somit noch mehr, diesen Weg weiterzugehen – oder wie es Konfuzius sagen würde: „Der Weg ist das Ziel.“

Von Thomas Staudenmeyer.