[Juliette 3/2017] – Raus aus der Kreidezeit

 

„Das Digitalste in den Schulen darf nicht die Pause sein“, fordern wir JuLis gerne im Wahlkampf. Was bedeutet das eigentlich, digitale Schule und Klassenzimmer 4.0? Digitale Whiteboards und Tablets dürfen nur ein Anfang sein.

  1. Technische Ausstattung

Wer in die digitale Arbeitswelt startet, sollte nicht erst nach der Schule mit moderner Technik konfrontiert werden. Leistungsfähige Computer, Konferenzsysteme, Tablets und Smartphones gehören schon heute in den meisten handwerklichen Betrieben zum Alltag. Dennoch kommen viele Schulen nicht aus der Kreidezeit heraus. Oft scheitert es schon am Beamer in den Klassenräumen.

Wir wollen Aufstiegschancen von sozialer Herkunft entkoppeln. Dann dürfen wir den Zugang zu digitalen Arbeitsmitteln nicht dem Geldbeutel der Eltern überlassen. Der Staat muss seine Schulen endlich ordentlich ausstatten und jedem Schüler die nötigen Hilfsmittel wie z. B. Tablets im Rahmen der Lehrmittelfreiheit zur Verfügung stellen. Das Problem der immer noch viel zu schweren Schulranzen lösen wir damit ganz nebenbei.

  1. Lerninhalte

Die weltweite Verfügbarkeit des gesammelten Wissens und Unwissens der Menschheit in Echtzeit ist ein riesiger zivilisatorischer Fortschritt. Die Zeiten staubiger Bibliotheken sind vorbei. Das birgt auch für die Schulen neue Aufgaben. Die gezielte Auswahl relevanter Informationen, ein kritischer Umgang mit Quellen und der Schutz persönlicher Daten sind Kernkompetenzen im digitalen Zeitalter.

Ein bisschen Internetrecherche für Referate und Aufsätze reicht dafür nicht aus. Wir brauchen ein flächendeckendes Angebot an Programmierunterricht, um IT-Talente früh zu fördern. Der Umgang mit digitalen Medien muss fächerübergreifend zur Selbstverständlichkeit werden. So wie Menschen in der freien Wirtschaft sich regelmäßig auf den technischen Fortschritt einstellen und fortbilden müssen, darf man das von jedem einzelnen Lehrer erwarten. Wir sollten diejenigen stärken, die die Schule als Vorreiter und Quelle des künftigen Fortschritts begreifen.

  1. Lernerlebnis

In der Freizeit erleben wir ständige Erreichbarkeit – Funklöcher ausgenommen – , grenzenlosen Austausch und eine mediale Reizüberflutung auf allen Kanälen. Ausgerechnet in den Schulen tun wir zu wenig dafür, Bildungsinhalte überhaupt greifbar zu machen.

Holen wir die Virtuelle Realität (VR) in die Schulen. Lassen wir die Schüler mit VR-Brillen im antiken Rom herumlaufen, um sich selbst ein Bild von den Ausmaßen des voll besetzten Kolosseums zu machen. Oder in der Produktionshalle eines Automobilherstellers, um neue Berufsbilder zu entdecken. Oder in der Zelle eines Eichenblattes, um die Photosynthese zu verstehen. Machen wir abstrakte Inhalte greifbar. Das hinterlässt einen bleibenderen Eindruck als vergilbte Schulbücher.

Auch die Echtzeit-Interaktion passt ins Klassenzimmer. Wie wär’s mit einer interaktiven Mathe-Challenge oder einem Wirtschafts-Planspiel mit der Austauschklasse aus Spanien? Der Englischkurs will mehr über die Anschläge des 9/11 erfahren? Dann interviewen wir Zeitzeugen, Journalisten oder Feuerwehrleute aus New York per Videokonferenz. Wie arbeitet die Europäische Kommission? Fragen wir doch einfach direkt nach. In der freien Wirtschaft ist das gelebte Realität. Bringen wir auch die Schulen ins 21. Jahrhundert.

Von Jens Brandenburg.