[Juliette 2/2018] – Ein „Bürgerrecht auf Bildung“ in der Hochschule

Schon 1965 forderte der große liberale Denker Ralf Dahrendorf ein Bürgerrecht auf Bildung ein. Für mich klingt das heute aktueller denn je. Der Schlüssel zur „Chancengerechtigkeit“, das heute als politisches Schlagwort nur so umhergeworfen wird, ist meiner Meinung nach durch Bildung zu erreichen. Mit einem durchlässigen Bildungssystem sollten wir es jedem jungen Menschen aus unsere Gesellschaft ermöglichen, das Beste aus sich zu machen. Wir müssen allen jungen Menschen die Chance geben, als Freigeist ihr Leben selbstbestimmt und verantwortungsbewusst zu gestalten.

Vertiefter betrachten möchte ich als Landesvorsitzende der Liberalen Hochschulgruppen Baden-Württemberg unser Hochschulsystem. Das Studium soll als einer der besten Zeiten im Leben gelten. Damit sich dies bewahrheitet, muss jeder Studierende frei und kreativ sein Können entfalten. Es soll ihm möglich sein, sein Studium voll auszuschöpfen. Dies ist nur möglich, wenn gewisse Grundvoraussetzungen erfüllt sind. Das Problem, dass weniger Kinder aus bildungsfernen Schichten studieren, muss ebenso überwunden werden. Zum einen muss hierfür die frühkindliche Bildung verstärkt gefördert werden; zum anderen ist eine weltbeste schulische Bildung elementar. Beides ist jedoch eines eigenen Beitrags würdig.

Der wichtigste Grundpfeiler findet sich in der Hochschulautonomie. Wir müssen den Universitäten ihre Freiheiten gewähren, um Mut und Chancen verantwortungsbewusst in der Wissenschaft und der Lehre zu ermöglichen. Von diesem Standpunkt aus lässt sich einiges gestalten.

Die Autonomie sollte sich in der Entscheidung der Universitäten wiederfinden, welche Studierenden sie zulassen möchte. Gerecht erscheint es nicht, wenn der Zugang zu einem Studium einzig von der Abiturnote abhängig gemacht wird. Dies hat auch jüngst das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Vorzugswürdig sind faire Aufnahmeverfahren der Universitäten.

Wir von der LHG sowie viele Studierende fordern mehr Seminare an den Universitäten, um in kleineren Gruppen intensiver zu arbeiten, bessere Online-Zugänge zu Literatur, eine 24-Stunden-Bibliothek, weniger Anwesenheitspflichten, gestreamte Vorlesungen und vieles mehr, was unsere Universitäten von morgen sein werden.

Um dies alles erfüllen zu können, werden die staatlichen Mittel nicht ausreichen, die auch jetzt schon zu knapp bemessen sind. Sind jedoch Studierende mit Studiengebühren während ihres Studiums konfrontiert, stellen diese für viele ein unüberwindbares Hindernis dar. Dies gibt den jungen Menschen ungleiche Startbedingungen und entspricht nicht dem Gedanken des Liberalismus. Deswegen brauchen wir nachgelagerte Studiengebühren, die nach Abschluss des Studiums einkommensabhängig gezahlt werden und auch direkt in den Haushalt der Universität fließen. Unsere Bildung ist etwas wert, jedoch sollten wir niemanden durch Gebühren von einem Studium abhalten, sondern unserer nachfolgenden Generation etwas mitgeben.

Auf welche Weise sollten sich Studierende ihr Studium finanzieren? Für besonders begabte und engagierte Studierende bieten sich Stipendien an. Diese Stipendienlandschaft gilt es auszubauen. Wir müssen unsere schlausten Köpfe besser fördern. Damit investieren wir auch in die Zukunft aller.

Vielen wird das aber nicht ausreichen. Sie sind auf einen Nebenjob angewiesen, der äußerst bereichernd sein kann, oder müssen auf die Finanzierung durch ihre Eltern hoffen. Vielen Studierenden wird hier aber die Tür verschlossen. Aus diesem Grund ist das elternunabhängige BAföG ein unerlässliches Kriterium. Geldsorgen beeinträchtigen ein erfolgreiches Absolvieren des Studiums enorm.

Daneben bestehen verschiedene weitere Probleme, die ein Studierender als Päckchen mit sich trägt. In den vergangen Jahren ist die Inanspruchnahme von psychischen Beratungsstellen des Studierendwerks sehr gestiegen. Lassen wir uns gemeinsam diese Päckchen abwerfen. Dafür müssen wir die Sorgen weiterhin sehr ernst nehmen und das Beratungsangebot ausbauen. Dadurch können wir möglichen späteren tiefgreifenden Krankheiten des einzelnen Menschen frühzeitig entgegenwirken.

Auch sollte es kein Hindernis sein, Familie und Studium zu kombinieren. Noch immer finden sich Frauen seltener in der Wissenschaft wieder, obwohl sie oft diejenigen mit den besseren Abschlüssen sind. Um dies zu verhindern, müssen Anreize geschaffen werden durch Förder- und Mentorenprogramme, vermehrte Wohnheimplätze für Familien, Ausweitung der Kinderbetreuung, Unterstützung in der PostDoc-Phase und flexible Arbeitszeiten. Ohne diese Sorgen haben Studierende einen freieren Kopf und können sich im vielfältigen Angebot von Hochschulgruppen, Sport und Musik entfalten.

Der Austausch unter den Studierenden ist dann besonders groß, wenn sich die Universität die Internationalität auf die Fahne schreibt. Durch die Europäisierung und Globalisierung ist es unerlässlich, dass unsere modernen Universitäten bunt und facettenreich sind und wir gegenseitig von uns lernen. Beispielsweise hat das Erasmus-Programm schon zahlreiche Freundschaften, glückliche Pärchen und niedliche Babys hervorgebracht – was gibt es Schöneres?

Ich denke, durch die Erfüllung dieser Voraussetzungen wären einige Bausteine eines erfolgreichen Studiums gelegt. Geben wir den Studierenden das beste Fundament, um darauf ihr Studium aufzubauen und dieses selbstbestimmt zu absolvieren. Erfüllen wir das Bürgerrecht auf Bildung und investieren wir in die Tüftler und Denker von heute für morgen.


Kira Scholler ist Landesvorsitzende der Liberalen Hochschulgruppen Baden-Württemberg.