[Juliette 2/2018] – Mut zu einer neuen Bildungspolitik

Rasante technologische Fortschritte verändern schon heute unser Lernen, Arbeiten und Leben. Wir können und wollen den Wandel nicht stoppen, sollten ihn aber aktiv gestalten. Mehr denn je müssen wir heute die Möglichkeiten für jede und jeden schaffen, in einer globalisierten und digitalisierten Welt teilzuhaben. Das Mondfahrtprojekt „Weltbeste Bildung für jeden“ ist Anspruch und Versprechen zugleich. Um die Raketen zu starten, brauchen wir drei Treibstoffe:

Digitale Kompetenzen

Mit der Technik von gestern bereiten wir junge Menschen nicht auf die Welt von morgen vor. Mehr finanzielles Engagement für digitale Bildung ist längst überfällig. Dass die versprochenen Investitionen in die digitale Schule seit Jahren vertagt werden, zeugt von der Zukunftsunfähigkeit der Bundesregierung. Der Digitalpakt Schule ist bisher nicht mehr als eine Ankündigung. Wenn Dorothee Bär die Digitalisierung der Schule ernst meint, müssen Sofortinvestitionen in die technische Ausstattung in Höhe von 1.000 Euro pro Schülerin und Schüler die Antwort sein.

Schulbücher gegen Tablets einzutauschen ist kein Selbstzweck. Die beste Technik ist nur ein Werkzeug und wird die Rolle des Lehrers nicht ersetzen. Kompetenzen wie vernetztes Denken, IT-Kenntnisse und ein kritischer Umgang mit digitalen Medien werden in der Welt von morgen zur Kulturtechnik. Die Lehreraus- und -weiterbildung braucht ein Update.

Soziale Aufstiegschancen

Aufstieg durch eigene Leistung ist ein Kernversprechen der Sozialen Marktwirtschaft. Das setzt einen freien Zugang zu Bildung unabhängig von der sozialen Herkunft voraus, auch nach der Schule. Deshalb wird es Zeit für ein elternunabhängiges BAföG und einen Ausbau europäischer Bildungsprogramme wie Erasmus+.

Die Herausforderungen der Zukunft werden durch Hochschulabsolventen allein nicht zu lösen sein. Die berufliche Ausbildung ist eine gleichwertige Alternative zum Studium. Jede und jeder sollte den Weg wählen können, der am besten zu ihr oder ihm passt. Für individuelle Bildungswege braucht es mehr Flexibilität und Durchlässigkeit zwischen beiden Systemen. Mit einer Exzellenzinitiative für die berufliche Bildung sollten wir einen bundesweiten Wettbewerb um die besten Ideen in der Berufsbildung schaffen.

Mit der mehrjährigen Förderung sollen Vorhaben ausgezeichnet werden, die wegen ihrer Innovationskraft Leuchttürme für die Qualität beruflicher Ausbildung sind. Mehr Flexibilität schaffen wir durch Teilzeitausbildungen, eine bessere Anerkennung von Bildungsmodulen und (Teil-)Abschlüsse auf mehreren Qualifikationsstufen.

Neuordnung der Bildungspolitik

Bildungsinhalte und Lehrpläne sind Aufgabe der Länder. Aber der Bund muss sich stärker als bisher in die Finanzierung von Bildungsangeboten einbringen, damit weltbeste Bildung gelingt.
5 Milliarden Euro für den Digitalpakt Schule können nur der Anfang sein. Bundesweit vergleichbare Schulabschlüsse und mehr Bildungsmobilität in Europa sollten in Zeiten der Globalisierung selbstverständlich sein. Nicht alles muss aber auf Landes- und Bundesebene geregelt werden. Wer die größten Innovationskräfte entfesseln will, sollte Lehrern, Eltern, Schülern und Schulträgern vor Ort mehr Entscheidungsfreiheit geben: Eine weitgehende Hoheit über Personal, Budgets und die Umsetzung der Lehrpläne. Die Ordnung bildungspolitischer Kompetenzen müssen wir grundlegend neu denken.


Dr. Jens Brandenburg MdB ist Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.