[Juliette 3/2018] – Digitale Wettbewerbspolitik

Wie kann Wettbewerb in Zeiten von Google und Facebook funktionieren? Können und sollen Monopolstellungen wie beispielsweise im Bereich der sozialen Netzwerke verhindert werden? Michael Theurer MdB gibt Antworten.

Durch die Digitalisierung sind vielzählige neue Innovationen entstanden. Viele davon ließen sich vermarkten und somit zu Geld machen. Daraus entstand Wohlstand und Lebensqualität für Milliarden Menschen. Es entstanden Konzerne, die zu den wertvollsten der Menschheitsgeschichte zählen. Es zeichnet sich mehr und mehr ab, dass Internetkonzerne eine Konzentrationstendenz aufweisen, die zu einer Monopolbildung führen kann. Speziell Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft haben in den letzten Jahren eine zunehmend marktbeherrschende Stellung erhalten – aber auch Alibaba ist auf Expansionskurs. Egal ob Soziale Netzwerke oder Plattformökonomie, überall lassen sich Konzentrationstendenzen beobachten.

Die Frage, wie damit umgegangen werden sollte, drängt sich auf. Ist es so,dass hier hohe Markteintrittsbarrieren für junge Unternehmen vorliegen? Wird dadurch der Wettbewerb behindert? Müssen die Kartellbehörden eingreifen? Oder liegt es an den niedrigen variablen Kosten für Internetdienstleistungen und den Netzwerkeffekten? Auch das wären legitime Gründe für einen Markteingriff. Oder regelt das am Ende der Markt?

Nehmen wir das Beispiel Facebook.Durch die Kosten für die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen Plattform und die Anschaffungskosten etwa für Server liegen definitiv Markteintrittsbarrieren vor. Doch selbst wenn ein anderer großer Player den Ball aufnimmt und ein neues soziales Netzwerk entwickelt, muss das noch lange nicht erfolgreich sein – siehe Google+. Hier lohnt es sich, das Phänomen der Netzwerkeffekte genauer zu beleuchten: Der Nutzen eines sozialen Netzwerks für den Nutzer hängt davon ab, wie viele andere Nutzer es gibt, die das Netzwerk ebenfalls nutzen. An Google+ sieht man,dass es nicht reicht, einfach viele Kunden zu haben. Denn auf dem Papier hat die Plattform über 3 Milliarden Nutzer – weil jedes Google-Konto automatisch auch zum Google+-Konto wurde. Dennoch ist die Plattform gescheitert. Es geht eben auch darum, dass tatsächlich Leute das Netzwerk nutzen.

Dennoch darf man auch hier die Innovationskräfte einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht unterschätzen. Erinnert sich noch jemand an Myspace? Für die Jüngeren: Das war mal sowas wie Facebook. Von 2005 bis 2007 war Myspace unangefochtener Marktführer der sozialen Netzwerke. Doch andere waren nutzerfreundlicher, praktischer, intuitiver. So wurde Myspace von Facebook abgelöst.Auch heute noch gibt es immer wieder neue Plattformen, die konkurrenzfähig werden – beispielsweise WhatsApp und Instagram.

Das Problem: WhatsApp und Instagram wurden von Facebook aufgekauft. Statt dass Netzwerkeffekte durch Digitale Wettbewerbspolitik Innovation egalisiert werden, werden sie durch Integration verstärkt.

Ich freue mich, dass auch die Jungen Liberalen dieses Problem erkannt haben und angehen wollen. In eurem Europawahlprogramm schreibt ihr: „Das europäische Monopolrecht soll derart geändert werden, dass künftig auch Zusammenschlüsse von Unternehmen unter die Kartellaufsicht fallen, die die Umsatzschwellen noch nicht erreichen, wenn durch Netzwerkeffekte (etwa im digitalen oder infrastrukturellen Bereich) eine besondere Gefahr für den Wettbewerb besteht.“

Diese Position zur digitalen Wettbewerbspolitik teile ich ausdrücklich. Sie ist auch ein Teil der Antwort, die wir als Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag geben. Allerdings hat in vielen Fällen die Marktkonsolidierung hinzu einzelnen beherrschenden Konzernen ja bereits stattgefunden. die großen Konzerne durch eine „Rückgängigmachung“ der Fusionen zu entflechten, kann nur Ultima Ratio sein. Denn wirtschaftlich erfolgreiches Handeln darf nicht bestraft werden. Zumal das Problem daher rührt,dass die vorhandenen kartellrechtlichen Instrumente (Untersagung, Auflagen etc.)nicht konsequent angewendet und präventiv eingeschritten wurde. Wenn eine Fusion rechtmäßig war, ist es schwierig,im Nachhinein eine Aufspaltung der Konzerne zu rechtfertigen.

Vielmehr wäre es sinnvoll, Maßnahmen zu ergreifen, die verhindern,dass die Konzentrations- und Monopolisierungstendenzen in der Digitalwirtschaft noch weiter zunehmen. Eine mögliche Idee wäre, die Internetkonzerne zu offenen Schnittstellen zu verpflichten.Der Präzedenzfall hierfür wäre Meebo: Viele Messenger hatten vor 10 bis 15 Jahren noch offene Schnittstellen. Das heißt,dass man Nutzern von ICQ oder AOL Messenger nicht nur mit diesem Messenger schreiben konnte, sondern auch über Messenger wie Meebo. Über eine solche Verpflichtung könnte man Netzwerkeffekte neutralisieren.

Eins ist klar: Diese Diskussion wird uns auf jeden Fall noch ein paar Jahre begleiten. Ich freue mich immer über Input!


Michael Theurer MdB ist Landesvorsitzender der FDP Baden-Württemberg und stv. Vorsitzender der FDP Bundestagsfraktion