[Juliette 3/2018] – FaceOff zum Thema “KI – Fluch oder Segen?”

Kontra

In der Diskussion über Künstliche Intelligenz zeigen sich viele Menschen oft als sehr begeistert, sodass sie die Bedrohung übersehen, die von Künstlicher Intelligenz ausgeht. Diese Gefahren  sind in Wahrheit deutlich subtiler als beispielsweise ein Terminator oder Skynet. Die heutige Forschung ist noch Welten davon entfernt, menschliches Denken oder gar eine Art Bewusstsein künstlich nachzubilden – wenn so etwas denn überhaupt möglich sein sollte. Das hält Menschen leider nicht davon ab, Künstlicher Intelligenz am laufenden Band Fähigkeiten und Eigenschaften zuzusprechen, die sie nach heutigem Stand noch lange nicht besitzen kann.

Stichwort Objektivität. Ein Computer hat keine menschlichen Gefühle, also bildet er auch keine Vorurteile aus – oder? In den USA wird seit einigen Jahren Künstliche Intelligenz verwendet, um das Rückfallrisiko von verurteilten Straftätern abzuschätzen. Dadurch bestimmt man dann unter anderem über die Höhe der Kaution. Auffällig ist hierbei aber, dass bei Afroamerikanern doppelt so oft fälschlicherweise eine  hohe Rückfallgefahr vorhergesagt wird wie bei Weißen – und bei Weißen doppelt so oft fälschlicherweise eine niedrige Rückfallgefahr wie bei Afroamerikanern. Das ist offensichtlich rassistisch. Aber wie kommt es dazu?

Das Problem liegt in den Trainingsdaten. Wenn eine KI zum Lernen alle bisherigen Straftäterprofile in Verbindung mit der Kautionsentscheidung erhält, und diese Entscheidungen in der Vergangenheit von rassistischen Richtern getroffen wurde, trainiert sich die Künstliche Intelligenz damit auch Vorurteile an. . Das ist unvermeidbar und lässt sich auch nicht beheben, indem man der KI verbietet, die ethnische Zugehörigkeit der Verurteilten zu berücksichtigen. Eine solche ethnische Zugehörigkeit bildet sich auch in vielen anderen Daten wie Wohnort, Einkommen, Beschäftigungsverhältnis usw. ab, die mit in die Berechnung eingehen.. Im Umfeld einer rassistischen Gesellschaft wird also auch Künstliche Intelligenz rassistisch.

Ein ähnlicher Effekt konnte auch schon bei Microsofts Chatbot Tay beobachtet werden. Tay sollte lernen, sich wie ein normaler Twitter-Nutzer zu verhalten, um idealerweise nicht mehr als Künstliche Intelligenz erkannt zu werden. Dummerweise wurde der Ton ihrer Konversationen nicht nur weniger künstlich, sondern auch weniger intelligent. Denn der durchschnittliche Twitter-Nutzer – oder zumindest der lauteste – vertritt leider häufig radikale Positionen bis hin zum Leugnen des Holocausts und Tay integrierte sich in diese Gruppe sehr schnell. Das Team von Microsoft musste irgendwann Aussagen wie “bush did 9/11 and Hitler would have done a better job than the monkey we have now. donald trump is the only hope we’ve got” aus Tays Timeline löschen. Künstliche Intelligenz sieht darin nichts Verwerfliches, sondern nur Aneinanderreihungen aus bestimmten Buchstaben und Worten in einer statistisch häufigen Verknüpfung. Für Microsoft war es glücklicherweise Grund genug, Tay frühzeitig wieder offline zu nehmen.

Zweifelsfrei bietet Künstliche Intelligenz viele Chancen. Aber es ist wichtig, sich auch stets ihrer Grenzen bewusst zu sein. Entscheidungen und Verhalten von KI muss stets hinterfragt und überwacht werden. Und diese Aufgabe kann nur das erfolgreichste neuronale Netz übernehmen, das von einem evolutionären Algorithmus jemals hervorgebracht wurde – das menschliche Gehirn.

Caroline Thies ist Schülerin und JuLi-Mitglieder im Kreisverband Tübingen

Pro

Künstliche Intelligenz bringt Veränderung für die komplette Wirtschaft und auch unser Privatleben und somit auch viele Chancen, beispielsweise  für die Justiz, die Landwirtschaft, für die Gesundheitsforschung, die Bildung, die Mobilität, das Finanzwesen, den Umweltschutz, und in vielen weiteren Bereichen  des menschlichen Lebens. Diese Technologie entwickelt sich zu der Schlüsseltechnologie der Zukunft. Wenn wir jetzt nicht die Chancen dieser Künstlichen Intelligenz entdecken und nutzen, dann laufen wir Gefahr, den weltweiten Anschluss bei der Entwicklung zu verlieren. Deswegen sollte es eine klare nationale und auch europäische Strategie geben, wie Künstliche Intelligenz gefördert und angewendet werden soll, damit Europa ganz vorne in der Entwicklung künstlicher Intelligenz dabei ist  und bestmöglich die vielen Chancen nutzen kann, die Künstliche Intelligenz uns bietet.

Für die  Entwicklung Künstlicher Intelligenz spielen Daten eine Schlüsselrolle. Wenn wir diese, ohne dabei die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen einzuschränken, anonymisiert und speziell zur Grundlagenforschung nutzen können, dann ist ein wichtiger Grundstein bei der Entwicklung gelegt.

Auch wissenschaftliches Know-How ist bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz unabdingbar, in Deutschland aber haben wir viel zu wenige Experten in diesem Bereich, genauso in anderen europäischen Staaten. Auch aus diesem Grund müssen die europäischen Partner bei der Entwicklung zusammenarbeiten und gemeinsam  diese Technologie deutlich stärker fördern.

Leider wird Künstliche Intelligenz in der öffentlichen Debatte und in vielen Zeitungsartikeln oft auch mit  dem Bild einer Art Superintelligenz verknüpft, die uns alle beherrschen könnte. Heutige Künstliche Intelligenz unterscheidet sich von dieser fiktiven Superintelligenz, , ihr fehlt schließlich die Fähigkeit, sich selbst Ziele zu setzen und darüber zu reflektieren, und das ist für einen freien Willen unabdingbar.

Die Schreckensszenarien von Maschinen mit freien Willen und herrschsüchtigen Superintelligenzen, die uns Menschen überlegen sind und feindlich gegenüber stehen, sind also sehr unrealistisch. Dennoch ist eine Regulierung von Künstlicher Intelligenz zwar notwendig, aber nur in engem Verbund mit der Entwicklung sinnvoll.

Reden wir also lieber über die Stärkung der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz als weiterhin nur über die Regulierung dieser Technologie!


Franz Kroh ist ebenfalls Schüler und JuLi-Mitglied im Kreisverband Tübingen