[Juliette 3/2018] – Fragen der technologischen Revolution

In der ersten industriellen Revolution haben Maschinen den Menschen das mechanische Arbeiten abgenommen. Heute befinden wir uns an einem Punkt in der Geschichte, an dem Maschinen uns auch intellektuelle Arbeiten abnehmen könnten.

Der technologische Fortschritt und die Forschung an KI haben sich allein in den vergangenen zehn Jahren rasant beschleunigt. Dieser Vorgang bringt, wie schon die erste industrielle Revolution, Verunsicherung mit sich.

Filme wie „Ex Machina“ und „I, Robot“ prägen dabei zu einem Gutteil das weitläufig herrschende Bild von künstlicher Intelligenz. In diesen Filmen geht es meistens um einen Computer, der nicht nur Intelligenz, sondern auch Bewusstsein entwickelt. Aufgrund des neu gewonnenen Bewusstseins versucht dieser Computer anschließend die Menschheit zu bekämpfen und zu unterjochen.

Dieses Bild verklärt in meinen Augen die Realität. Denn anders als in der Welt von Hollywood, so Experten, wird künstliche Intelligenz die Menschen wohl kaum aktiv angreifen und unterdrücken. Nein, das Gefährliche besteht nicht darin, dass KI sich dem Menschen wiedersetzt, sondern, dass KI der natürlichen Dummheit des Menschen bedingungslos gehorcht. Neue Technologien in der Hand zu haben bedeutet auch eine neue Ansammlung von Macht. Wie klug und zu welchem Zweck diese neue Macht verwendet werden wird, liegt in der Hand der Menschen, die mit KI umgehen.

Ein anderes Argument gegen die Hollywood-Realität ist, dass Menschen zunehmend Elemente einer KI in sich selbst übernehmen könnten. Was ist, wenn in Zukunft nicht nur Fitnessstudio, Brustimplantate und künstliche Hüften zur Selbstoptimierung dazugehören, sondern auch die Manipulation des menschlichen Willens und dessen kognitiven Fähigkeiten! Diese Verschmelzung von Informationstechnologie und Biotechnologie könnte ein zentraler Trend dieses Jahrhunderts sein.

Laut Expertenmeinungen spricht also einiges dafür, dass es kein Aufbegehren revoltierender Roboter geben wird, sondern, dass menschliches Leben durch eine schleichende Evolution an sich nachhaltig verändert wird.

Welche Herausforderungen bringt die KI also tatsächlich und konkret mit sich? Aus meiner Sicht sind es besonders drei Felder, die vor einer Veränderung stehen: Der Arbeitsmarkt, die Demokratie und unser Bildungssystem. Ich möchte gerne zum Nachdenken über diese verschiedenen Aspekte anregen, indem ich zu jedem der drei Aspekte eine Frage stelle. Ich habe keine Antworten auf diese Herausforderungen, hoffe aber, dass die untenstehenden Fragen einen fruchtbaren Boden zum weiteren Nachsinnen bieten.

Arbeitsmarkt: Der mechanische Webstuhl und die Dampfmaschine haben entgegen der Erwartungen keine langfristige Massenarbeitslosigkeit hervorgebracht. Künstliche Intelligenz wird nun zweifelsohne die Jobs automatisieren, die aus reiner Routine bestehen. Fraglich bleibt, ob die wegfallenden Jobs an anderer Stelle neu entstehen. Sollte es nicht gelingen für ausreichend Arbeitsplätze zu sorgen, könnten Arbeitnehmer das erste Mal in der Menschheitsgeschichte nicht unter Ausbeutung, sondern unter Bedeutungslosigkeit leiden. Protest gegen ungerechte Löhne – das kennen wir. Aber wie demonstriert man gegen den eigenen Bedeutungsverlust? Die Kutscher aus dem 19. Jahrhundert konnten nach der Erfindung des Autos einen Job als Taxifahrer annehmen. Was aber, wenn die Menschen im 21. Jahrhundert nicht das Schicksaal der Kutscher ereilt, sondern das Schicksaal der Pferde, die schlicht nicht mehr gebraucht wurden?

Demokratie: Nehmen wir einmal an, ein hippes Start-up in Berlin entwickelt einen Algorithmus basierend auf maschinellem Lernen, der den optimalen Bundeshaushalt für Staaten ausspuckt. Der Algorithmus würde die Verteilung der finanziellen Mittel für alle nutzenmaximierend gestalten – ganz ohne die ideologischen Grabenkämpfe der politischen Parteien. Am Ende stünden keine quälend langen Haushaltsberatungen, sondern direkt der Weisheit letzter Schluss. Auf den ersten Blick scheint dies durchaus wünschenswert. Denn schließlich wäre die Welt sicher vor Politikern wie Matteo Salvini aus Italien, der Europa wohl gerade wieder zurück in die Schuldenkrise stürzen möchte.

Doch welche Implikationen hat die Rolle von Algorithmen tatsächlich für unsere Demokratie? Unsere liberale Demokratie begreift den Willen des Einzelnen, des Wählers und des Konsumenten als letzte Instanz von Autorität. Diesen Stellenwert könnte der menschliche Wille verlieren, sollte er langfristig einer KI unterlegen sein. Die politische Mehrheit im Land trifft nicht immer die richtigen Entscheidungen über technische Fragen von Handel, Wirtschaft und Finanzen.

Was sind also die Implikationen für unsere Demokratie, wenn politische Fragen besser von Algorithmen beantwortet werden können als vom Wählerwillen?

Bildung: Jack Ma, der Chairman der Alibaba Gruppe aus China, sagte in einem inzwischen sehr populären YouTube Video den Satz: „We cannot teach our kids to compete with machines which are smarter. We have to teach something new!“ Wie recht er hat. Das Auswendiglernen von Fakten wird im Zeitalter intelligenter Maschinen nicht mehr ausreichen, um auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein. Bringen wir unseren Kindern die Dinge bei, welche die Maschine nicht besser kann! Oft sind Dinge für Menschen schwer, die ein Computer mit Leichtigkeit vollbringt. So können Computer zum Beispiel große Mengen an Daten erfassen und innerhalb von Sekunden auswerten, was dem menschliche Gehirn deutlich schwerer fällt. Andererseits fällt dem menschlichen Gehirn vieles leicht, womit sich ein Computer noch schwertut. Der Mensch tut sich zum Beispiel deutlich leichter mit dem Treffen von Entscheidungen. Das menschliche Gehirn, das evolutionär für ein Leben als Jäger und Sammler ausgelegt ist, kann Entscheidungen viel schneller, treffsicherer und vor allem intuitiv treffen, was ein Computer nicht kann.

Jack Ma ist deshalb der Meinung, dass die Schulen sich stärker auf die Vermittlung von Werten, Teamwork und Kreativität und weniger auf die Vermittlung Fakten konzentrieren sollte.

Welche Dinge sollten wir unseren Kindern im Zeitalter intelligenter Maschinen also konkret  beibringen?

Die Frage, wie wir mit neuen Technologien umgehen werden, stellt die Menschheit im 21. und 22. Jahrhundert vor ungekannte Herausforderungen. Diesen kann sich die Politik nicht entziehen. Doch leider spielte das Thema künstliche Intelligenz und Digitalisierung in allen Wahlkämpfen weltweit eine bisher untergeordnete Rolle. Dabei hat sich unser Leben durch Algorithmen, Smartphones und Automatisierung in den letzten zehn Jahren bereits radikal verändert. Beispiel gefällig? Der „Bildschirmzeit“-App auf meinem iPhone zufolge verbringe ich bis zu drei Stunden täglich damit auf mein Smartphone zu blicken. Was haben wir bloß vor zehn Jahren in diesen drei Stunden angestellt?? Wie wir unser Leben verbringen hat sich durch Algorithmen und digitale Medien radikal gewandelt. Obgleich sich unser Alltag verändert hat, reagieren die Parteien kaum bis gar nicht auf diese lebenspraktische Veränderung. Themen wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz sind die zentralen Themen der Zukunft, finden in den Parteien aber nur wenig Raum. Vielleicht rührt auch daher das Gefühl vieler, dass die Debatten im Bundestag nichts mehr mit ihrer Lebensrealität zu tun haben.

Auch der durchschnittliche Ortsverein der FDP Quackenbrück (nur ein Beispiel) tut sich aus meiner Erfahrung mit solchen Themen schwer. Junge Liberale, die sich gerne als selbst als Forschrittmacher bezeichnen, müssen sich konsequent dafür einsetzen, dass das Thema des technologischen Wandels auf der Agenda der Politik ganz weit oben steht!


Jan Olsson ist Europakandidat und Kreisvorsitzender der JuLis Göppingen