[Juliette 1/2019] – Den Beruf des Pflegers – wir müssen ihn endlich ernst nehmen!

Der Pflegenotstand war in den Medien im letzten Jahr ein heiß diskutiertes Thema. Im Fernsehen zeigten Sender gerne Bilder aus Altenheimen, in denen junge Pflegerinnen und Pfleger Senioren aus dem Bett oder in die Schuhe helfen, gleichzeitig konnte über Pfleger lesen, wie diese oft unter extremem Stress und Überstunden teilweise viel zu viele Patienten gleichzeitig betreuen mussten, Burnouts und Kündigungen waren die Folge. Die Bevölkerung wächst und wir scheinen nicht darauf vorbereitet zu sein.

Im November letzten Jahres wendete sich eine Krankenpflegerin daher direkt per Facebook an Gesundheitsminister Jens Spahn und schildert dramatische Zustände: Pfleger hätten keine Zeit, Patienten zum Toilettengang zu begleiten oder rechtzeitig Schmerzmittel zu verabreichen. Pfleger stünden dermaßen unter Stress, dass sie völlig vergessen würden, zwischendurch selbst etwas zu trinken oder zu essen. Das Pflegesystem stürze ein wie ein Kartenhaus. Widerliche Szenarien für Patienten, Pfleger und Angehörige.

Angehörige, welche zum Beispiel ihre Eltern zuhause pflegen, stoßen oft an körperliche und psychische Grenzen. Wenn man als Erwachsener miterleben muss, wie die eigenen Eltern dement oder bewegungsunfähig werden, wie sie vergessen zu duschen oder zu trinken, beschließen diese oft schweren Herzens, die Eltern in einem Pflegeheim unterbringen zu lassen. Oft fühlt man sich, als hätte man die eigenen Eltern im Stich oder alleine gelassen, doch muss man als Erwachsener nicht selbst seinen Pflichten nachgehen, sich zum Beispiel um die eigenen Kinder kümmern? In Pflegeheimen erhofft man sich für Angehörige professionelle Betreuung, bei der der Patient im Mittelpunkt steht und rund um die Uhr versorgt werden kann. Leider sind unsere Pflegeheime aufgrund von akutem Fachkräftemangel weit davon entfernt. Für 2019 hat das Gesundheitsministerium bereits erste Maßnahmen ergriffen, 13.000 neue Stellen werden geschaffen, mit hübschen Flyern, Annoncen und Plakaten wirbt das Ministerium für einen Beruf, der „mehr als ein Beruf“ sei. Doch reicht das?

Zumindest hat das die Regierung die Problematik erkannt und Maßnahmen ergriffen. Ich halte diese jedoch für nicht weitreichend genug. Von jungen Menschen, die ein pflichtführendes „Sozialpraktikum“ für die Schule an Altenheimen absolvieren, höre ich oft ein ähnliches Berufsbild: der Beruf sei zu stressig und schlichtweg schlecht bezahlt. An dieser Stelle möchte ich eines vorschlagen: den Beruf des Pflegers zu verbeamten. Meiner Meinung nach muss der Staat deutlich tiefgehender eingreifen, bei der Altenpflege kann und darf die „Pflegeindustrie“ mit einzelnen Pflegeheimketten nicht die Hauptrolle spielen. Ich stelle mir das ähnlich wie bei Schulen vor: Pflegeheime gehören dem Land und die Landesregierung entscheidet, wo diese gebaut werden. Die Bundesregierung müsste für alle Länder eine Mindestquote an Heimen und Pflegerstellen festlegen. Menschen, die sich für den Pflegeberuf bewerben wollen, sollten über Landesgrenzen hinweg einheitlich ausgebildet werden. Eine Verbeamtung der Pfleger wäre für mich ein eindeutiges Signal, dass Regierungen die Thematik der Altenpflege ernst nehmen würden. Für einen jungen Bewerber sind soziale Absicherungen und ein sicheres Einkommen deutlich attraktiver als ständig unter Strom stehen zu müssen, unklar wie viele Überstunden noch auf einen zukommen. Letztendlich muss natürlich auch das Gehalt der Pfleger erhöht werden, auch als Zeichen der Wertschätzung und Dankbarkeit.

Leider ist es hier noch lange nicht getan, denn kurzfristig werden sich immer noch zu wenige für den Pflegeberuf bewerben, selbst wenn dieser verbeamtet sein sollte. Daher muss es möglich sein, Einwanderung und den Pflegeberuf zu koppeln: entschließt sich ein Asylbewerber oder Einwanderer dazu, sich als Pfleger ausbilden lassen zu wollen, sollte es für ihn eine während der Ausbildung bedingungslose Aufenthaltsgenehmigung geben, die sich nach der abgeschlossenen Ausbildung uneingeschränkt fortsetzt. So würden wir meiner Ansicht nach kurz- und mittelfristig dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Nebenbei sollte es auch möglich sein, ausländische Fachkräfte auch für kurze Zeit, zum Beispiel sechs Monate, ins Land zu holen, die mithilfe eines Kompakttrainings kleinere Tätigkeiten in Pflegeheim übernehmen könnten, um so die fest angestellten Pfleger bei Bedarf effektiv zu entlasten.

Aus meiner Sicht wird die Bedeutung der Betreuung älterer Altersgruppen in Deutschland unterschätzt. Daher sollten Schritte in diese Richtung mindestens in Betracht gezogen werden. Langfristig werden kompetente Pfleger genauso benötigt und wertvoll sein wie kompetente Lehrer, wenn die Anzahl der Pflegebedürftigen wie erwartet zunimmt. Mit derselben Energie, wie wir für alle Kinder Zugang zu hochwertiger Bildung ermöglichen wollen, müssen wir für unsere Senioren eine würdevolle Pflege garantieren. Damit kein einziger Patient vernachlässigt wird und kein Pfleger mehr mit einem Burnout aus seinem Beruf nachhause kommt.


Lionel Chambon ist JuLi-Mitglied im Kreisverband Reutlingen.