[Juliette 2/2019] – FaceOff

Pro

An der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie hängen rund 410.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Die SVI ist mit ihren 135.700 oft hochqualifizierten, direkten Beschäftigten untrennbar mit der Gesamtwirtschaft verwoben. Dies zeigt sich zum einen daran, dass durch die SVI 273.400 Arbeitsplätze in anderen Wirtschaftsbereichen bestehen, und zum anderen, dass viele ursprünglich für militärische Zwecke entwickelte Güter auch in anderen Wirtschaftssektoren nicht wegzudenken sind. Des Weiteren gehen 63% der Unternehmen der SVI Kooperationen mit Unternehmen aus anderen Branchen ein, um Forschung an neuen Produkten zu betreiben. Darüber hinaus investieren Unternehmen der SVI mit über sieben Prozent ihres Umsatzes überdurchschnittlich viel in Forschung und Entwicklung. Dies zeigt sich daran, dass das für die Industrie von der EU ausgegebene Ziel, drei Prozent des Umsatzes für Forschung und Entwicklung auszugeben, um mehr als das Doppelte übertroffen wird. Wegen der hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung zählt die SVI zu den Spitzentechnologie-Branchen.

Es ist entscheidend, die SVI zu erhalten, da die Bundeswehr ohne diese auf Produkte aus dem Ausland angewiesen wäre. Eine Belieferung aus dem Ausland kommt nicht in Frage, da ausländische Hersteller von ihren Regierungen angewiesen werden, immer nur maximal die zweitbeste Variante eines Produktes zu verkaufen. Zudem werden, wie beim F35 geschehen, „Backdoors“ verbaut, welche dem Verkäuferstaat die Möglichkeit geben, Informationen über Missionen zu gewinnen oder das Produkt lahmzulegen. Statt des Kaufs im Ausland ist theoretisch eine nationale Fertigung ohne Export möglich. Für dieses Vorhaben müsste allerdings der Verteidigungshaushalt erhöht werden, denn der Export von Panzern macht diese durch die Fixkostendegression auch für die Bundeswehr günstiger.

Wie oben beschrieben, ist die SVI integraler Bestandteil der Gesamtwirtschaft und wegen ihrer hohen Ausgaben für Forschung ein echter Innovationstreiber der Gesamtwirtschaft. Zudem beliefert sie die Bundeswehr schon seit Jahrzehnten mit Produkten aus der Weltspitze. Ich bin dafür, der SVI mehr Rüstungsexporte zu ermöglichen, da ich davon überzeugt bin, dass sie nur so dauerhaft am Standort Deutschland zu halten sein wird. Ich möchte die SVI in Deutschland halten, weil ich mir sicher bin, dass nur mit ihr als Partner die weltbeste und kosteneffizienteste Ausstattung der Bundeswehr gelingen kann.

Contra

Juli 2014: Die irakische Armee gibt überhastet die Stadt Mossul auf. Ihre Ausrüstung und Bewaffnung muss sie zurücklassen. Eben jene Bewaffnung fällt nun den Islamisten in die Hände, die fortan die bestgerüstete Gruppe in der Region sind. Aber nicht nur auf diese Weise kommt der IS an modernste amerikanische und europäische Waffen. Unter anderem werden aus Deutschland an Assad gelieferte Raketen in Syrien erbeutet oder über amerikanische und russische Zwischenhändler gekauft. Was also tun? Die Antwort der Bundesregierung: Mehr Waffen! Nur eben für die Gegenseite. Und so werden jetzt die Peschmerga-Kämpfer mit europäischen Waffen ausgerüstet. Waffen, mit denen die Kurden selbst die amerikanischen Panzer des IS zerstören können.

Isoliert betrachtet mag das sogar die richtige Entscheidung gewesen sein. Die Realität ist leider, wie immer, komplizierter. Das Hauptproblem dabei: So läuft es seit Jahrzehnten. Eine fragwürdige Regierung oder paramilitärische Einheit wird zur Erreichung eines bestimmten moralischen Ziels mit Waffen beliefert, die anschließend in der Krisenregion verbleiben. Werden diese Waffen nun außerhalb des vorgesehenen Zwecks benutzt, macht das eine Bewaffnung der (regelmäßig ebenfalls fragwürdigen) Gegenseite nötig. Und alles beginnt von vorn. Mehr und stärkere Waffen bedeuten mehr und stärkere Konflikte. Dies führt zu weniger Stabilität, mehr Kriegen und dem Bedürfnis nach mehr und stärkeren Waffen. Eine unaufhaltsame Rüstungsspirale, die immer größere Krisen und Leid produziert.

Diese Überlegung macht auch deutlich, wie kurzsichtig die deutsche Außenpolitik agiert. Man stelle sich einmal (den nicht so unwahrscheinlichen Fall) vor, aus den Peschmerga-Kämpfern erwächst die nächste Extremistengruppe. Mit modernsten deutschen Waffen. Wie bewaffnen wir dann die Gegenseite? Artilleriegeschütze? Kampfhubschrauber? Mittelstreckenraketen?

Man muss heute konstatieren, dass die Strategie der direkten oder indirekten Bewaffnung paramilitärischer Einheiten oder fragwürdiger Regierungen gescheitert ist und vor allem für eines gesorgt hat: Brandbeschleunigung für die Konflikte dieser Welt. Die Rüstungsspirale muss durchbrochen werden. Im aktuellen Jemenkrieg werden deutsche Waffen wieder einmal für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt. Oder anders gesagt: Deutsche Waffenexporte machen die Welt zu einem schlechteren Ort. Schluss damit!


Felix Haug (Pro) ist Mitglied im Kreisverband Stuttgart, Sebastian Storz (Contra) ist Mitglied im Kreisverband Tübungen.