[Juliette 4/2019] – Aktien sind doch eh nur was für Alte

Brauhaus Schönbuch. Erster Dienstag im Monat. Es ist wieder Stammtischzeit bei den Jungen Liberalen Stuttgart. Wie immer wird darüber diskutiert, ob die FDP eine Doppelspitze braucht, was Trump und Johnson gemeinsam haben, oder warum der Bundeskongress der Jungen Liberalen schon wieder im Norden stattfinden muss. Irgendwann, im Laufe des Abends, frage ich in die Runde, ob jemand daran denke, sein Geld an der Börse anzulegen. Großes Staunen. Einer murmelt „Aktien sind doch eh nur was für Alte“, ein Mädchen warnt „Ich will nicht schon mit 20 Pleite gehen“ und mein Gegenüber schimpft „ich habe längst den Überblick verloren – ist mir zu anstrengend“.

Damit an dieser Stelle der Überblick gewahrt wird, rolle ich das Ganze mal von hinten auf. Aktien sind im Moment leider wirklich etwas für Alte, denn ein Drittel aller Aktionäre sind laut den Aktionärszahlen des Deutschen Aktieninstituts über 60 Jahre alt – Tendenz steigend. Dagegen halten lediglich 11,1 % der 14 – 39 Jährigen Aktien. Vereinfacht gesagt: Je jünger die Menschen, desto weniger Aktionäre findet man. Genauso sieht es aus, wenn man sich die Daten aus der Perspektive des Haushaltsnettoeinkommens anschaut. Je weniger die Menschen verdienen, desto eher scheuen sie die Aktienanlage, wobei man mit einem Aktiensparplan schon ab 25 € pro Monat anfangen kann zu investieren.

Dabei können Aktien und andere Wertpapiere gerade für junge Menschen äußerst lukrative Chancen bieten, langfristig Vermögen aufzubauen. Das Deutsche Aktieninstitut hält mit seinem DAX-Renditedreieck einen Beweis parat. Wer im Jahr 2002 Aktien kaufte und sie bis Ende 2017 hielt, erzielte (trotz Finanzkrise!) eine durchschnittliche jährliche Rendite von 10,5 %. Jedoch spielen dabei natürlich nicht unerhebliche Faktoren mit, zum Beispiel welche und wie viele Aktien man kauft. Grundsätzlich gilt aber: Je länger die Haltedauer, desto weniger Risiko.

Dass (junge) Menschen eher Risiken als Chancen sehen, liegt daran, dass seit Dotcom-Blase und der Finanzkrise 2008 ein irrtümliches Bild von Aktien gezeichnet wurde. Was viele nicht wissen: In Zeiten von Niedrigzinsen ist es eher ein Risiko, das Geld auf dem Konto zu parken, wo es durch Inflation an Wert verliert. Und was machen manche Politiker? Sie sprechen davon, dass Aktien nur etwas für Superreiche wären. Oder sie fordern die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die eher Kleinanleger belastet, als für Stabilität an den Finanzmärkten zu sorgen. Dabei können wir die Schere zwischen Arm und Reich nur durch (finanzielle) Bildung und einer Beteiligung der Bürger an der eigenen Wirtschaft verkleinern. Bildung ist das Startkapital, das jedem jungen Menschen in gleicher Höhe zur Verfügung gestellt werden muss.
Das Ziel muss es sein, jungen Menschen durch finanzielle Bildung vor Augen zu führen, wie sehr sie in Zeiten eines erodierenden Rentensystems selbst Verantwortung für eine liquide Zukunft übernehmen können.

Erfreulich ist zumindest, dass junge Menschen diese Verantwortung zunehmend wahrnehmen. In den letzten Jahren fiel es ihnen immer leichter, ihr Wissen über Finanzen zu bereichern. YouTuber wie „Aktien mit Kopf“ oder „Finanzfluss“ bauten den den 16 -25 Jährigen eine Brücke zu den Finanzmärkten. Eine Befragung der Bank Comdirect ergab, dass es eine Mehrheit junger Menschen es willkommen heißen würden, wenn es ein Schulfach „Finanzwesen“ gäbe.

Eine weitere frohe Botschaft ist, dass das Aktieninteresse der jüngeren Menschen seit 2014 um 3% gestiegen ist, auch wenn sich das beim Stammtisch der Jungen Liberalen Stuttgart noch nicht so anhört.


Julius Zeithammer ist Mitglied im Kreisvorstand der JuLis Stuttgart und zuständig für Neumitgliederbetreuung.