[Juliette 1/2020] – Was gegen die Flat-Tax spricht

Seit geraumer Zeit kursiert das Konzept der Flat-Tax in liberalen Kreisen. Aber warum eigentlich? Wir fordern in jedem Konzept, jeder Idee und jedem Antrag, dass der Wille des Individuums, seine Gegebenheiten und seine Entscheidungsfreiheit bei jeder staatlichen Entscheidung oberste Priorität haben. Noch öfter höre ich die Forderung, man solle doch endlich den Prozess des Ausfüllens der Einkommensteuererklärung erleichtern und bitte nicht weiter das ewige FDP-Klischee der „Partei der Reichen“ pushen.

Und welche der oben genannten Punkte löst die Flat-Tax noch mal? Richtig, keinen! Fakt ist: Eine Flat-Tax belastet ceteris paribus arme Menschen stärker als Reiche. Ein einheitlicher Steuertarif ändert genau zwei Dinge: Zum einen die Höhe der abgeführten Einkommensteuer auf eurer Lohnsteuerbescheinigung und zum anderen die Volatilität der Abgaben. Ohne progressive Steuertarife schwankt das Netto-Einkommen deutlich stärker. Wir brauchen ein Steuersystem, das sich auf unsere Lebensbedingungen anpasst, das uns nicht bluten lässt, aber das uns dann etwas genauer beäugt, wenn wir mit höheren Abgaben unser Zusammenleben und unsere Zukunft fördern können, ohne finanziell darunter zu leiden.

Übrigens lohnt sich ein Blick auf die Gehaltsabrechnung. Besonders bei den Menschen, die wir entlasten wollen, übersteigen die Sozialabgaben die Einkommensteuer. Lasst uns lieber daraufsetzen, alle Bürger mündig zu machen, indem sie die Steuern, die sie zahlen verstehen. Selbst die Forderungen nach einem Einheitssteuersatz von 20% ohne Absatzmöglichkeiten ist sehr paradox – laut IMK zahlen „Durchschnittsverdiener“ (49.915€ pro Jahr), gesetzt dem Fall, sie sind ledig, 19,2% Einkommensteuer; man bemerke: Nach Abzug von Werbungskosten, Aufwendungen für Reparaturen am Eigentum oder Spenden (oder den vielen anderen Möglichkeiten). Der Prozentsatz sinkt, wenn gemeinsame Veranlagung vorliegt.

Wieso also gleich alles abschaffen? Warum nicht transparenter machen und modifizieren? Dass in der Vergangenheit viele Fehler im Umgang mit der Darlegung steuerlicher Vorschriften gemacht worden sind, bestreite ich nicht. Es wurde versäumt, allen Bürgern Zugang zu Weiterbildungsprogrammen mit Schwerpunkt Einkommensteuer zu ermöglichen – das ist fatal. Dennoch spricht die schlechte Umsetzung nicht per se für ein schlechtes System. Möglichkeiten die Bemessungsgrundlage zu mindern sind wichtig, wenn es um unsere Individualität und die Freiheit der Gestaltung unseres Lebens geht. Sie sind definitiv kein böswilliger Eingriff des Staates in unser Verhalten.


Lilith Schieweg ist Beisitzerin für Organisation im Landesvorstand.