[Juliette 3/2020] Alltagsrassismus und seine Facetten

Durch die weltweite Black-Lives-Matter Bewegung wurden in den vergangenen Monaten verschiedenste Themen im Zusammenhang mit Rassismus Thema des politischen Diskurses. Doch eine Form von Rassismus ist politisch besonders schwer greifbar – Alltagsrassismus.

Was ist eigentlich Alltagsrassismus?

Alltagsrassismus dient in erster Linie als eine Art Abgrenzung zu dem Rassismus, der von Organisationen, Parteien oder auch Personen des öffentlichen Lebens praktiziert wird. Diese Art von Rassismus ist oft ausgeprägt und verfolgt meistens ein Ziel, beispielsweise mehr Wähler zu generieren.

Alltagsrassismus ist das genaue Gegenteil von dem gerade beschriebenen Rassismus. Wie der Name schon impliziert, ist er alltäglich und findet zwischen dir und mir statt. Er ist weniger offensiv, und schwieriger zu erkennen, als der eben angesprochene Rassismus. Doch genau darin liegt das Problem.

Während der „große“ Rassismus für jedermann leicht zu erkennen ist und aus politischer Sicht vergleichbar leicht zu bekämpfen ist, ist der Alltagsrassismus tief in unserer Gesellschaft verankert und bietet aus politischer Sicht wenige Ansatzpunkte, um dagegen vorzugehen.

Doch was kann man tun?

Alltagsrassismus ist etwas, was sich in den Köpfen der Menschen befindet. Es ist bis zu einem gewissen Punkt menschlich, denn jeder hat gewisse Vorurteile. Verwerflich werden diese Vorurteile aber, sobald wir anfangen unserem Gegenüber keine Chance einzuräumen, aus dieser Schublade herauszukommen, in die wir ihn gedanklich gesteckt haben. Und genau das passiert bei Alltagsrassismus.

Um dieses Phänomen loszuwerden reicht es nun nicht aus, rein politisch vorzugehen. Denn egal wie gut ein politischer Ansatz ist, er kann nicht ändern was in den Köpfen von Menschen vorgeht. Um dies zu ändern, braucht unsere Gesellschaft Zeit. Wir müssen unserer Gesellschaft Zeit geben, um diese Vorurteile abzubauen und aufeinander zuzugehen. Durch die Globalisierung und das Internet wurden bereist unglaublich viele Vorurteile abgebaut. Dies hat dazu geführt, dass unsere Generation die vermutlich weltoffenste und toleranteste Generation ist, die jemals gelebt hat. In den Köpfen des Großteils unserer Generation wurden diese Vorurteile und Schubladen schon abgebaut. Nun müssen wir darauf bauen, dass diese Entwicklung weitergeht und auch dafür sorgt, dass unsere Kinder noch toleranter und noch weltoffener werden als wir es sind.

Wie können wir politisch vorgehen?

Doch damit möchte ich nicht sagen, dass wir rumsitzen und Däumchen drehen sollten, bis sich das Problem von alleine löst. Während dieser Prozess, welcher die Denkweise in den Köpfen der Menschen ändert, Zeit beansprucht, muss die Politik dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft möglichst wenige Angriffspunkte für Alltagsrassismus bietet und diesen dort verurteilt wo er auftritt.

Zum einen muss trotz der oben erwähnten Abgrenzung zum „großen“ Rassismus klar sein, dass Alltagsrassismus und der Rassismus von Organisationen oder auch Parteien miteinander korrelieren. Denn klar ist, dass der politische Rassismus den Alltagsrassismus befeuert. Der erste Ansatz um gegen Alltagsrassismus vorzugehen ist also den Weg weiterzugehen, den wir bereits gehen, nämlich die politische Rechte auf politischer Ebene zu bekämpfen.

Des Weiteren müssen politische Projekte, wie beispielsweise anonymisierte Bewerbungsverfahren, Rassismus-Studien in der Polizei usw. vorangetrieben werden. Wir müssen den Menschen, welche rechtes Gedankengut in ihren Köpfen haben, jegliche Chancen nehmen, andere Menschen im Alltag zu diskriminieren. Gleichzeitig müssen wir Projekte wie beispielsweise Erasmus oder ähnliche Austauschprogramme unterstützen und ausbauen, sodass Vorurteile schon früh im Leben von Schülern und Studenten abgebaut werden können.

Arbeiten wir an diesen Aspekten kontinuierlich weiter, bin ich davon überzeugt, dass wir auf kurze Sicht eine Gesellschaft haben, in der niemand Opfer von Alltagsrassismus werden muss und auf lange Sicht in einer Gesellschaft leben werden, in der diese Vorurteile in den Köpfen der Menschen gar nicht erst existieren.


Maurice Ehinlanwo ist Beisitzer für Finanzen im Landesvorstand der JuLis Baden-Württemberg.