[Juliette 1/2021] Wahlkampf auf dem Land vs. in der Stadt

Auf dem Land

Alena Trauschel ist im Bundesvorstand der JuLis und kandidiert für den Landtag in Ettlingen.

Wahlkampf auf dem Land bedeutet vor allem: Weite Strecken. Mein Landtagswahlkreis Ettlingen im Landkreis Karlsruhe-Land ist da noch relativ human, zumindest mit dem Auto. Denn der gesamte Wahlkreis besteht aus Vororten von Karlsruhe. Mit dem ÖPNV wäre hier ein Wahlkampf dennoch nahezu nicht darstellbar, so braucht man etwa von Marxzell nach Wöschbach knapp zwei Stunden. Bei meiner Wahlkampfunterstützung in anderen Kreisen oder anderen Bundesländern habe ich durchaus schon extremere Erfahrungen gemacht. In Brandenburg kann man auch problemlos einmal eine Stunde Auto fahren und ist noch immer im gleichen Landtagswahlkreis.

Die größten Unterschiede liegen aber wohl in den Arten an Veranstaltungen, die hier sinnvoll sind. In vielen ländlichen Regionen gibt es noch Lokalblätter, die auch über einen Besuch des Kandidaten beim Oberbürgermeister oder ein Gespräch mit dem Sportverein berichten. Gleichzeitig kann man – zumindest bei Präsenzveranstaltungen – nicht hoffen, mit einem Besuch von Christian Lindner 600 Zuhörer zu begeistern.

Und natürlich sind die Themen teils auch andere: Die guten Arbeitsplätze im ländlichen Raum sind häufiger bei Mittelständlern, die Präsenz von Konzernen und Ketten ist geringer, die Relevanz von Vereinen und Ehrenamt für das tägliche Leben ist höher. Das bedeutet, dass Zielgruppenmarketing auch anders funktioniert – über Mund-zu-Mund-Propaganda. Hierfür empfiehlt es sich, frühzeitig mit Vereinen und Ehrenamtlern ins Gespräch zu kommen und herauszufinden, wo der Schuh drückt.

In der Stadt

Leon Genelin ist Kandidat für den Wahlkreis Ulm.

Der Landtagswahlkampf in der Stadt ist deshalb besonders, weil man sehr viele Menschen ansprechen und erreichen muss. In meiner Heimatstadt, Ulm, leben aktuell 125.000 Menschen. Diese gilt es alle möglichst persönlich zu erreichen, denn allein mit Flyern und Plakaten kann man niemanden überzeugen. Und dabei ist Ulm noch eine kleine Stadt im Vergleich zu Stuttgart, Karlsruhe oder Mannheim.

Die große Zahl an Menschen hat aber natürlich auch Vorteile: Mittels Wahlkampfständen in Einkaufsstraßen oder vor Märkten ist es leicht viele Leute zu treffen und einige spannende Gespräche zu erleben.

Auch bei Veranstaltungen hat das Vorteile. So kann man bei einer normalen Präsenzveranstaltung durchaus mit 20 – 30 Parteifreunden rechnen, welche teilnehmen. Bei wirklich großen Veranstaltungen, wie Reden von Christian Lindner, erreicht man schnell und einfach eine Vielzahl von Menschen. Allerdings verlangt dies dann natürlich auch eine solide und langfristige Planung.

Thematisch kann man sich in Städten vielseitig aufstellen, was Kandidaten ermöglicht ein eigenes Profil aufzubauen. So kann man junge Wählerinnen und Wähler mit jungen Themen wie Digitalisierung, Bildung und LGBTI abholen, man kann aber auch ältere Wählerinnen und Wähler mittels klassischer Themen wie Wirtschaft, Außen- und Finanzpolitik überzeugen. Dadurch kann jeder Kandidat mit den Themen punkten, welche ihm am meisten liegen. Gleichzeitig heißt das aber auch, dass jeder Kandidat zu jedem Thema sprechfähig sein muss. Es kann passieren, dass man am Montag auf einer Debatte von Studierenden eingeladen ist, am Mittwoch vor der Handwerkskammer über den Mittelstand reden muss und am Samstag auf einer Versammlung auf dem Marktplatz über die Klimapolitik sprechen muss.