[Juliette 2/2021] Das Ehegattensplitting in der Einkommensteuer ist besser als sein Ruf

Autor: Patrick Leismann ist Leiter des Landesarbeitskreises Steuern & Finanzen und von Beruf Steuerberater.

Immer wieder taucht in der politischen Diskussion die Forderung auf, das Ehegattensplitting müsse abgeschafft werden. Gründe dafür finden die dann meist linken Politiker*innen auch gleich gute: Es benachteilige systematisch den weiblichen Partner und sei überhaupt nur eine Zementierung des Patriarchats. Die Frage ist nur: Stimmt das?

Die Antwort ist: Nein!

Regelmäßig verwechseln Autor*innen die Steuerklassenwahl mit dem Splittingtarif. Der Splittingtarif kommt bei der Veranlagung zur Einkommensteuer zur Anwendung. Er wirft quasi alles in einen Topf. Die Steuerpflichtigen werden wie ein Steuerpflichtiger behandelt, der für (fast) alles den doppelten Betrag bekommt. Die Steuerklasse kommt laufend in der Lohnabrechnung zum Tragen.

Machen wir also einen Exkurs zur Steuerklasse.

Die Steuerklassenwahl schreibt im Grunde einfach nur den Splittingtarif einem der beiden Partner zu. Der schlechter verdienende wird fast so wie der Zweitjob des Singles herangezogen. Die Folge – der Nettoeinkommensausfall ist subjektiv niedriger, wenn der schlechter verdienende zu Hause bleibt. Das ist unter Berücksichtigung des ‚gender paygapʻ, und zwar des unbereinigten, ein klarer Anreiz dafür, dass die Frau zu Hause bleibt. Was die Steuerpflichtigen nicht ahnen – das ist alles nur ein Trick. Unterjährig ist zwar mehr Geld auf dem Konto, aber am Ende wird das nachgezahlt oder aber Steuervergünstigungen und Kosten aller Art führen zu einer geringeren Erstattung. Wer die Steuerklasse so konfiguriert, muss auch in jedem Fall eine Erklärung abgeben.

Und das Dickste kommt erst noch: Die Steuerklasse fünf ist ein teurer Kredit, wenn derjenige später Sozialleistungen bezieht. Diese berechnen sich nämlich häufig nach dem Nettoeinkommen, welches künstlich heruntergerechnet wurde. Dass der schlechter verdienende nun also die Klasse 3 bekommt, damit der Effekt sich umkehrt, dürften sich die meisten nicht leisten können, die das betrifft.

Das Fazit oft: „Dann bleibt SIE halt daheim. Es lohnt sich ja nicht. Nachzahlen müssen wir ja auch noch, wenn SIE arbeitet.“ Und deshalb bin ich dafür, die Steuerklassen 3 und 5 abzuschaffen. Es bringt kaum individuelle Vorteile, aber eine Menge gesellschaftliche Nachteile.

Nun aber zurück zum Ehegattensplitting!

Das Splittingverfahren bereinigt eben diese Unterschiede. Es schaut nicht an, wer was bekam, sondern führt zusammen. In dieser Betrachtung wird in der Regel die tatsächliche Steuer- belastung nicht einzeln erkennbar sein. Es ist auch so, dass dieses Einkommen mindestens zwei Personen versorgen muss.

Weil wir die Ehe als wirtschaftliche Schicksalsgemeinschaft im Verfassungsrang haben, muss es das Ehegattensplitting in irgendeiner Form geben!

Denn mit dem gemeinsamen Einkommen wird der Zugewinnerwirtschaftet, der beim Ende der Ehe dem Partner zusteht. Der Partner muss mit dem gemeinsamen Haushalts- einkommen versorgt werden. Das Einkommen wird häufig die Kinder im Haushalt versorgen. Diese zivil- rechtliche Zusammenstellung ist nach wie vor der Regelfall, trotz der gestiegenen Anzahl der Eheverträge.

Die wirtschaftliche Schicksalsverbindung muss der Steuergesetzgeber würdigen!

Solange das Grundgesetz den Schutz der Ehe garantiert, dürften alle Versuche, das Ehegattensplitting abzuschaffen, in Karlsruhe zerschellen. In vielerlei Hinsicht schützt die Ehe zudem die schlechter begüterten – meist die Frauen!

Dass unsere Bundesfrauenministerin über eine Abschaffung des Splittings nachdenkt ist völlig daneben!

Also: Ist denn alles gut so wie es ist?

Auch hier ist die Antwort: Nein!

Denn unsere Bürger*innen haben in ihrer Liberalität auch wirtschaftliche Schicksalsgemeinschaften entwickelt, die das Zivilrecht aus Kaiserszeiten noch gar nicht kannte: trauscheinlose Patchworkfamilien, Alleinerziehendenfamilien und viele Lebensformen mehr. Das derzeitige Verfahren hält hierfür zu wenig bereit. Ich bezeichne in Reden die Alleinerziehenden oft verbittert als die Melkkühe der Nation. Mit dem Witzbetrag, der für Alleinerziehende steuerfreigestellt wird, verhöhnt der Gesetzgeber diese Leute allenfalls anstatt sie fair zu behandeln.

Die JuLis BW fordern deshalb das Familiensplitting und die Ausdehnung des Splittingtarifs auf Alleinerziehende. Und ich mit ihnen!