[Juliette 2/2021] Verpflichtendes Kindergartenjahr? Nein Danke!

Autor: Julian Grünke ist Bundestagskandidat und JuLi-Mitglied aus Tübingen.

Verpflichtend, für alle, immer. Bei dieser Anforderung zucken wir Liberale zusammen. Zurecht, wie ich finde. Denn die besondere Sensibilität für die Freiheit ist unsere DNA. Immer wieder werden sich Begründungen finden die Freiheit der Menschen zu beschränken. Die Sicherheit ist dabei zwar der Hauptverdächtige aber das Wohl von Kindern ist ebenso geeignet scheinbar alternativlose Eingriffe in die Freiheit der Bürger zu begründen. Als Liberale haben wir die Verantwortung genau zu prüfen, ob die Eingriffe verhältnismäßig sind. Zentral ist hierbei immer der Gedanke des mildesten geeigneten Mittels.

Ein verpflichtendes Kindergarten Jahr, oder gar mehrere sind ein gewaltiger Eingriff. Der dahinterstehende Gedanke Chancengerechtigkeit in der Bildung dadurch zu stärken, dass nicht zu spät begonnen wird ist aller Ehren wert. Zu verhindern, dass die Startbedingungen von Kindern bei Einsetzen der Schulpflicht nicht schon so weit auseinanderklaffen und vornehmlich vom Elternhaus abhängen. Tauglich ist die Kindergartenpflicht hierfür sicherlich, empirisch einwandfrei bewiesen. Besonders sozial benachteiligte Kinder profitieren davon, auch weil die Verpflichtung meist mit Beitragsfreiheit einhergeht.

Doch tauglich ist nicht verhältnismäßig. Die stumpfe Ignoranz gegenüber der Vielfältigkeit von Kinder Bildungs- und Betreuungsmodellen in der Debatte ist manchmal wirklich beeindruckend. Tagesmütter oder auch privat organisierte Elterngruppen, die selbst Verantwortung übernehmen wollten, werden implizit für unfähig erklärt. Dies steht im krassen Gegensatz zum liberalen Menschenbild. Es ist ein etatistischer Geist vom idealen staatlich verordneten Weg für alle.

Wo es Defizite gibt, oder wo diese drohen zu entstehen muss gehandelt werden. Dafür ist die Erhebung des Entwicklungsstandes und der Fähigkeiten von Kindern wichtig. Wenn Defizite festgestellt werden, ist es sicherlich geboten sicherzustellen, dass das Kind in einer Bildungseinrichtung gefördert wird. Doch überall dort, wo andere Wege zu Ziel führen, darf der staatliche Holzhammer des verpflichtenden Kindergartenjahrs nicht zuschlagen. Wir sollten uns nicht von der Schlichtheit verführen lassen sondern einen liberalen und differenzierten Weg definieren.

So dass Eltern wirklich eine Entscheidungsfreiheit haben, aber die Chancen von Kindern auch dann sicher gestellt werden, wenn die Eltern ihrer Verantwortung nicht nachkommen (können).