04.03.1997

9 Thesen zur Bildungs-Religionspolitik

  • Unsere liberale Gesellschaft kommt nicht ohne gemeinsame Werte aus. Zu diesen Werten gehört die Achtung des Lebens und des Menschen und seiner Verschiedenartigkeit. Für unsere Gesellschaft fundamentale Werte führen sich auf die jüdisch – christliche monotheistische Tradition und auf die Aufklärung zurück. Dies sind Werte, von denen eine liberale Gesellschaft lebt, ohne daß es sie verordnen kann. Unsere Bildungs- und Religionspolitik anerkennt, daß fundamentale Werte nicht verordnet, sondern gemäß ihrem Sinn nur täglich vorgelebt werden können.
  • Im Zeitalter der Globalisierung und des weltweiten kulturellen und religiösen Austausches durch Migration, Einwanderung und Medien sind althergebrachte Werte einer Prüfling durch konkurrierende Werte ausgesetzt. Dies betrifft auch für unsere Gesellschaft fundamentale Werte. Ziel einer modernen liberalen Bildungspolitik muß es deshalb sein, junge Menschen die Chance zu geben, sich Orientierung zu verschaffen und sich einen Überblick über die fremden Kulturen, ihre Werte und Glaubensrichtungen zu verschaffen.
  • Respekt vor fremden Werten kann einerseits nur haben, wer diese kennt, wer sich seiner eigenen Werte sicher ist. Verständnis für andere Kulturen, ihre Verschiedenheiten und die mögliche Verwandtschaft kommt vom Verständnis der eigenen komplexen religiösen und philosophischen Tradition. Respekt vor fremden Werten kann andererseits nur haben, wer diese fremden Werte kennengelernt hat. Werte unserer eigenen Gesellschaft sollen deshalb auch aus der Sicht der fremden Werte diskutiert werden. In der Schule muß also damit begonnen werden, den Wert von Werten zu vermitteln und diese zu diskutieren. Es ist Sache der Kirchen und Religionsgemeinschaften, insbesondere ihre religiösen Werte zu vermitteln und dabei auch neue Wege zur Jugend zu finden.
  • Die Schule ist kein wertfreier Raum. Als Erziehungseinrichtung eines demokratischen Staates kann sie auch nicht wertneutral sein, sondern wird immer die demokratischen Werte und ihre philosophischen und religiösen Hintergründe betonen. Doch die Trennung von Staat und Kirche ist unumstößlich und sinnvoll. Wir fordern, die Trennung von Staat und Kirche auch in der Schule einzuhalten.
  • In der Schule kommen Menschen unterschiedlichsten Hintergrundes zusammen und arbeiten miteinander, schließen Freundschaften über alle kulturellen oder religiösen Grenzen hinweg. Wir halten es für unsinnig, junge Menschen bei der Vermittlung und Diskussion von Werten in drei verschiedene Gruppen zu teilen: Katholiken, Protestanten und Ethikschüler. Vielmehr soll allen Schülern die Möglichkeit gegeben werden, gemeinsam über sie bewegende Werte zu diskutieren. Hierbei hat die Schule auch eine Moderatorenfunktion.
  • Das Fach Ethik wird immer noch als Sonder- und Ersatzfach für Religion behandelt. Es kann nicht schriftliches Prüfungsfach sein, es fehlt eine einheitliche Ausbildung und Qualifikation für Ethiklehrer. Die Diskriminierung des Faches Ethik durch die Bevorzugung von Religionsunterricht mag zwar in einem Staat konsequent sein, der nicht konsequent Staat und Kirche auseinanderhalten kann, wir JuLis halten die Diskriminierung allerdings – auch unabhängig vom Staat – Kirche – Verhältnis – für ungerecht. Daher fordern die Jungen Liberalen die Einführung eines Faches LER (Lebenskunde, Ethik, Religion) und die Abschaffung des evangelischen und katholischen Religionsunterrichts sowie des Faches Ethik.
  • Das Fach LER bedarf qualifizierter Lehrer, die in einem Studienfach für den Lehrberuf LER herangebildet werden sollen. In der Übergangszeit können Philosophie- und Religionslehrer mit Zusatzausbildung unterrichten.
  • Auf staatlich angeordnete sakrale Formen und Symbole ist im Bereich staatlicher Institutionen wie Schulen oder Gerichten zu verzichten.
  • Die Seelsorge in staatlichen Institutionen ist in die alleinige Verantwortung der Kirchen zurückzugeben. Geistliche und Theologiestudenten sind in ihren staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten, auch im Hinblick auf den Wehrdienst allen anderen Staatsbürgern gleichzustellen. Die staatliche Förderung für Konkordatslehrstühle soll entfallen.

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