04.03.1997

Zu Perspektiven einer liberalen Kommunalpolitik


Überforderung des Staates – Alarmsignale für die Demokratie

Die Welt wird im Informationszeitalter immer kleiner, aber auch immer unüber-sichtlicher. Nationale Regierungen sind immer weniger in der Lage, Probleme zu lösen – entweder, weil die Probleme auf europäischer oder globaler Ebene gelöst werden müssen, oder weil nationale Regierungen zu weit von Problemen entfernt sind, die sich eher auf einer tieferen Ebene in Subsidiarität lösen lassen können. In Deutschland beobachten wir eine zunehmende Unfähigkeit des Nationalstaates Deutschland, die in ihn gesetzten Hoffnungen zu erfüllen. Ob diese Unfähigkeit von übergeordneten europäischen Verordnungen oder von der Überforderung des Sozialstaates herrührt – das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit des Natio-nalstaates – und damit in, „die da oben in Bonn“ – sinkt. Politik(er)verdrossenheit, sinkende Wahlbeteiligung, zunehmende Radikalisierung der politischen Ausein-andersetzung, die offenbare Unfähigkeit der Volksparteien, der Bevölkerung die Wahrheit zu sagen, Beschimpfungen wie „Parasiten“: das alles sind Alarmsignale für unsere Demokratie.


Neue Formen der politischen Willensbildung

Wo das Vertrauen in „die Politik“ schwindet, schwindet auch das Vertrauen in die Parteien. Parteien, und das gilt auch für die F.D.P., müssen heute anerkennen, daß ihre große Zeit vorbei ist. Zunehmend engagieren sich Bürger in Initiativen, Verbänden, Interessensgruppen, die teilweise sehr isolierte Ziele verfolgen. Der Blick für das Ganze, wie man ihn sich vom Zusammenwirken der Parteien noch erhoffen konnte, droht im Verteilungskampf unterzugehen. Doch die Bereitschaft zum politischen Engagement außerhalb einer Partei muß begrüßt werden. Partei-en müssen sich auf neue Formen der politischen Willensbildung einstellen.


Ergänzung unseres repräsentatives Systems

Das bedeutet auch, unser repräsentatives System zu überdenken: förderte es nicht fast 50 Jahre lang die Delegation von Verantwortung an „die Politiker“, an „Vater Staat“? Führte es nicht dazu, Politik als ein Dienstleistungsunternehmen zur Ge-währleistung des ungestörten Privatvergnügens zu begreifen? War das nicht eine Entwicklung, wie wir sie uns als Liberale, die auf den selbständigen mündigen und teilnehmenden Bürger bauen, nicht haben wünschen können? Das bedeutet, daß wir heute für eine sinnvolle Ergänzung des repräsentativen Systems durch direkte Demokratie kämpfen müssen, dort wo sie sinnvoll ist.


Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene

Unser Karlsruher Entwurf weist in die richtige Richtung: auf kommunaler Ebene müssen neue Formen der Bürgerbeteiligung ermutigt und gefordert werden. Neue Formen der Bürgerbeteiligung sind nicht nur der beste Beitrag zur Schaffung einer liberalen Bürgergesellschaft, sondern dienen auch dazu, demokratische Auseinandersetzung als selbstverständliche Methode der Auseinandersetzung zu verwurzeln. Der demokratische Lack der Bundesrepublik ist dünner, als man ge-meinhin glaubt. Wer vor Ort die Leistungsfähigkeit von Politik erlebt, der stellt an Politik auch keine überzogenen Erwartungen mehr. Die Akzeptanz von Entschei-dungen wird gestärkt, die demokratische Kultur stabiler. Wer vor Ort zur Teil-nahme an Politik aufgefordert wird und die Zuschauerbank verläßt, nutzt Entscheidungsfreiräume, gestaltet unsere Demokratie mit und fühlt sich nicht mehr so ohnmächtig gegenüber „der Politik“ und ihren Regelungen oder Nicht-Regelungen.


Chance für die F.D.P.

Die Jungen Liberalen halten die Frage des Übergangs von einer repräsentativen Demokratie hin zu einer sinnvoll durch direkte Elemente ergänzten Demokratie für eine entscheidende fundamentale Frage. Nach über 40 Jahren Nachkriegsstarre gibt es nicht nur in der Politik einen Reformstau, sondern auch in der Art, wie Politik gemacht wird. Mehr Bürgerbeteiligung im Informationszeitalter und in der Zeit des schnellen Wandels sichert Mitsprache am Wandel der Welt und Identifikation und Verständnis für Politik. Für die F.D.P. ist diese Perspektive einer erweiterten Bürgerbeteiligung vor Ort eine Chance, in den Kommunen wieder Fuß zu fassen. Es könnte ein Alleinstel-lungsmerkmal werden, weil strukturkonservative Volksparteien den Bürger im-mer noch für dümmer halten, als er ist, und weil die Grünen über ihr Rotati-onsprinzip nie hinausgekommen sind.

Die Jungen Liberalen fordern deshalb eine programmatische Aufarbeitung von direkter Demokratie in der Kommune, eine Konzentration liberaler Kommunal-politik auf dieses Thema und eine Ausrichtung liberaler Politik auf die Stärkung der Kommune.

Weitere Beschlüsse

Fit ohne Grenzen: Die 24/7-Revolution für unser Dorf!

Wir fordern eine Anpassung der bestehenden Lärmschutzverordnungen und der bestehenden Baurechtlichen Vorgaben, um den Betrieb von Fitness-Studios rund um die Uhr...

One Software to rule them all

Der Beschaffungsprozess von Software für Kommunen, Ämter und andere staatliche Institutionen (wie z.B. Schulen) ist ein beschwerlicher Prozess, der viel Zeit...

Mit dem Laptop am Pool – Workation auf eigene Verantwortung

 Die Jungen Liberalen Baden-Württemberg fordern eine grundlegende Vereinfachung der zeitweiligen Arbeitsausübung aus dem EU-Ausland.  In der Praxis zeigt sich, dass die...
Kategorien:
Filter Beschluss Organ
Mehr anzeigen