Appell zum Schutz der Freiheitsrechte – Ausnahmezustand nicht zur Norm erheben

Die Jungen Liberalen Baden-Württemberg sprechen sich gegen

  • den Einsatz der Bundeswehr im Inneren,
  • die Errichtung einer staatlichen Zentraldatei für alle Bankkonten der Bürger,
  • Ermittlungen des BKA (Bundeskriminalamt) ohne Anfangsverdacht,
  • die Errichtung einer staatlichen Zentraldatei für die Fingerabdrücke und biometrischen Daten der Bürger,
  • der schleichenden Auflösung der Trennlinien zwischen polizeilicher Tätigkeit und geheimdienstlicher Tätigkeit,
  • sowie einem Vollzugsrecht von Europol

aus.

Bankgeheimnis muss bestehen bleiben

Die Jungen Liberalen (JuLis) Baden-Württemberg fordern das uneingeschränkte Fortbestehen des Bankgeheimnisses.

Gegen die mit der Streichung verbundenen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Bürger gem. Art. 2 I des Grundgesetzes treten die JuLis entschieden ein.

Die JuLis setzen sich für eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung des BAKred ein.

Einführung eines kleinen Waffenscheines

Immer häufiger werden Schusswaffenstraftaten in Deutschland mit den frei erhältlichen Waffen, also Schreckschuss- und Gaspistolen begangen. Mittlerweile sind sogar 60 % aller Schusswaffenstraftaten dieser Kategorie zuzuordnen, vor allem werden die Waffen bei Körperverletzungsdelikten sowie Raub- und Banküberfällen verwendet. Die Bereitschaft bei Straftaten Waffen einzusetzen steigt enorm: Bei 2259 Tatverdächtigen, gegen die 1999 ermittelt wurde, fand die Polizei eine Schusswaffe. Laut Gesetz dürfen diese „erlaubnisfreien“ Kurzwaffen nur in Notwehr oder bei Sportwettkämpfen eingesetzt werden. Problem ist oftmals die täuschende Ähnlichkeit zu den Originalen, die es den Polizisten erschwert, die Waffen zu unterscheiden. Schüsse auf einen Menschen können tödlich verlaufen.

Deshalb fordern die Jungen Liberalen eine Novellierung und Verschärfung des Waffengesetzes durch die Einführung eines kleinen Waffenscheines für erlaubnisfreie Kurzwaffen.

Dieser soll sich auszeichnen durch:

  • Beim Kauf einer solchen Waffe muss analog zu den Bestimmungen für den Erwerb „normaler“ Kurzwaffen verfahren werden.
  • Die Waffe ist ferner so aufzubewahren, dass sie für nichtberechtigte Dritte nicht zugänglich ist.
  • Der kleine Waffenschein ist alle fünf Jahre vom Polizeipräsidium zu überprüfen.
  • Eine deutliche Markierung der Waffe, so dass sie sich äußerlich deutlich von echten Pistolen unterscheiden.

Dieser kleine Waffenschein ist eine sinnvolle Ergänzung und Antwort auf eine Entwicklung, der unbedingt Einhalt geboten werden muss. Dem Missbrauch solcher Waffen muss endlich entgegengewirkt werden. Signalpistolen sind von dieser Regelung, auf Grund ihrer optischen Erkennbarkeit als solche und der damit verbundenen weniger grossen Gefährlichkeit, ausgenommen.

Freiheit im Netz


Situation

Das weltweite Datennetz prägt zu Beginn des dritten Jahrtausends nahezu jeden Bereich des Privaten und des Wirtschaftslebens entscheidend mit. Seine Bedeutung wächst weiter. Die Kommunikation der Bürger und der Unternehmen über Telefon, Mobilfunk, Fax, eMail und web nimmt ständig zu. Damit hinterlassen die Menschen immer größere Datenspuren. Seit der Einführung des digitalen Mobilfunks kann man nicht nur Handies abhören, sondern auch im Nachhinein die Wege und Aufenthaltsorte ihrer Besitzer nachvollziehen.

Aufgrund der Digitalisierung können die Datenströme von staatlichen Überwachungsorganen immer schneller und besser kontrolliert, durchleuchtet und ausgewertet werden. Als in den 70er Jahren die Rasterfahndung (§ 98a StPO) „erfunden“ wurde, musste man den Computern zum Zweck des Datenabgleichs die Daten noch mit Lochkarten zuführen – heute könnte man sämtliche Verbindungsdatensätze aller deutschen Kommunikationsnetze, die an einem Tag entstehen, innerhalb von Minuten miteinander abgleichen.

Zudem lassen sich heute durch das Einsehen von Verbindungsdaten aus dem Internet im Gegensatz zu bloßen Telefonnummern Rückschlüsse über den Inhalt der geflossenen Daten ziehen. Es lassen sich sogar recht einfach Nutzerprofile erstellen. Eine Trennung von Verbindungs- und Inhaltsdaten ist insoweit gar nicht mehr möglich.

Andererseits wird der betriebene Aufwand dadurch in Frage gestellt, dass gerade finanzkräftige Schwerkriminelle, die das Hauptziel von Ermittlungen im Netz sind, ohnehin über aufwändige Verschlüsselungstechnik verfügen, um Telefongespräche und eMails abhörsicher zu machen und damit diese und somit sich selbst dem Zugriff der Behörden zu entziehen.

Die Jungen Liberalen Baden-Württemberg wollen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Telekommunikationsgeheimnis aus Art. 10 GG schützen. Gleichzeitig wollen wir eine effektive Kriminalitätsbekämpfung sicherstellen.


Leitlinien

  • Die Menschen handeln eigenverantwortlich und wissen selbst am besten, welche Netzinhalte gut und welche schlecht für sie sind.
  • Weil man den Bürgern etwas zutrauen kann, ist jede(r) einzelne von ihnen auch aufgefordert, sich genau zu überlegen, welche Daten er/sie ins Netz eingibt und sich zu vergewissern, was damit geschieht.
  • Nicht alles, was Menschen tun, ist kontrollierbar; wer dies dennoch glaubt, ist einem Wahn verfallen. Aber selbstverständlich darf das Netz kein rechtsfreier Raum sein.
  • Es gibt keine Rechtfertigung, das virtuelle Leben stärker einzuschränken als das wirkliche. Auch im Netz muß es private Rückzugsräume geben, die wie eine Wohnung im Normalfall gegenüber den Ermittlungsbehörden tabu sind.
  • Wir wenden uns gegen ein Übermaß an staatlicher Kontrolle. Das Übermaß ist dann erreicht, wenn
    • die Bürger, die sich der Kommunikationseinrichtungen bedienen, unter einen pauschalen Kriminalitätsverdacht geraten oder
    • die gewonnene Datenflut wegen ihrer Dimensionen von den Ermittlern nicht mehr ausgewertet werden kann.

Forderungen

Effektive Ermittlungsbehörden

Die Strafverfolgungsbehörden müssen in eine Lage versetzt werden, in der sie ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen können. Für uns steht dabei die bessere sächliche und personelle Ausstattung im Vordergrund. Nicht nur, dass bei der Polizei, dem Bundesgrenzschutz und dem Bundeskriminalamt etwa 30.000 Stellen unbesetzt sind, es gibt auch nach wie vor erhebliche Defizite im Bereich des Eigenschutzes (zB kugelsichere Westen) und von Fahrzeugen, EDV-Ausstattung und bei der Aus- und Fortbildung. Schärfere Gesetze bringen uns hier nicht weiter. Damit keine Missverständnisse entstehen: wir Junge Liberale wollen eine wirksame Bekämpfung der Kriminalität.

Keine Langfrist-Speicherung

Die Jungen Liberalen sind strikt gegen Vorstellungen des CDU-Bundesvorstandes, dass Polizisten künftig ohne richterliche Genehmigung Computer durchsuchen oder Verbindungsdaten untersuchen dürfen sollen. Die von einigen geforderte langfristige Speicherung aller personenbezogenen Daten träfe in der überwältigenden Mehrheit unbescholtene Bürger. Außerdem würde sie eine Datenflut erzeugen, der keine Behörde mehr Herr werden könnte. Sie würde uns nur dem Orwellschen Albtraum näher bringen. Wir setzen dem das „Freeze and Preserve“-Konzept entgegen, wonach ein Internet-Provider auf einen Anruf der Strafverfolger hin sofort die Verbindungsdaten eines Verdächtigen speichert. Der behördliche Zugriff darf dann erst mit einem richterlichen Beschluß erfolgen. Bleibt dieser aus, müssen die Daten innerhalb weniger Tage wieder gelöscht werden.

„black boxes“

Ebenso lehnen wir die Pläne der Bundesregierung ab, in der neuen Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) festzulegen, dass die Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen (Sprache, Mobilfunk, Internet etc.) auf eigene Kosten Schnittstellen (sog. black boxes) vorhalten müssen, auf die Ermittlungsbehörden jederzeit zugreifen können. Der dadurch entstehende enorme technische Aufwand trifft die Provider und würde mit einem Schlag einen erheblichen Rückschritt für das Internet bedeuten. Die dafür anfallenden Kosten den Betreibern aufzuerlegen, bedeutet eine Externalisierung von Kosten für die Verbrechensbekämpfung, mithin ein echtes Novum! Außerdem bezahlen das letztlich natürlich die Kunden über deutlich höhere Preise. Schließlich können durch solche Schnittstellen Sicherheitsprobleme und Datenlecks auftreten.

Internet-Streife auf gesetzliche Grundlage stellen

Die sog. Internet-Streife bedeutet in Wahrheit ein systematisches Scannen auf „verbotene“ Inhalte. Hierbei ist noch nicht geklärt, ob dafür der Bund bzw. das BKA (wenn man das Internet der Telekommunikation zurechnet) oder die Polizeien der Länder (wenn man das Internet zum Bereich der Medien zählt) zuständig sind und ob dies präventives oder repressives Polizeihandeln ist. Vielmehr ermitteln beide Seiten nebeneinander, ohne über eine tragfähige Ermächtigungsgrundlage zu verfügen. Die Jungen Liberalen fordern hier klare Kompetenzabgrenzungen und –grenzen und als Voraussetzung für die Überwachung einen konkreten Tatverdacht hinsichtlich in einem Katalog festzulegender Straftaten (wie solcher gegen das Leben, gegen den Körper und gegen die sexuelle Selbstbestimmung).

Berichtspflicht

Wenn das Parlament die Ermittler mit Befugnissen ausstattet, hat es auch das Recht, zu erfahren, was die Behörden mit diesen Instrumenten erreicht haben bzw. ob damit Missbrauch getrieben wird. Von 1998 auf 1999 ist in Deutschland die Zahl der Ermittlungsverfahren, in denen Telefon-Überwachungen stattgefunden haben, von 2705 auf 3034, also um 12 %, gestiegen. Dennoch wissen weder der Bundestag noch die Landtage, ob diese Maßnahmen erfolgreich oder unnötig waren. Bislang gibt es noch nicht einmal eine Statistik über die Ergebnisse. Deshalb fordern wir, dass die Parlamente der dann zuständigen Körperschaften (Bund, Länder) periodisch darüber unterrichtet werden, wie viele Personen von entsprechenden Maßnahmen betroffen gewesen sind, welchen Erfolg die Maßnahmen gebracht haben und was sie gekostet haben.

Freier Zugang zu Kryptotechnik

Um persönliche Daten auch vor privaten Hackern und Lauschern schützen zu können, müssen die Bürger das Recht haben, Verschlüsselungstechniken für eMails und Dateien zu benutzen, ohne dem Staat den Schlüssel dazu in die Hand zu geben. Wir fordern den freien Zugang zu Kryptotechnik, damit Privates privat bleibt.


Strategie

Die Bürgerrechte sind gegenwärtig durch staatliche Einschränkungen bedroht – alle bedeutenden Parteien in Deutschland wollen die aktuelle Angst der Menschen ausnutzen, um auch außerhalb der Überwachung des Netzes Maßnahmen durchzusetzen, die sie schon lange planen (Schily: Beschränkung der Einwanderung; Eichel: Abschaffung des Bankgeheimnisses; Merkel: Einsatz der Bundeswehr im Innern) – außer der FDP. Deshalb sind wir nun gefordert, die Bürger auf die drohenden Einschränkungen aufmerksam zu machen und mit ihnen gemeinsam dagegen vorzugehen. Wir Liberale sind die Einzigen, die dem Trend zu verstärkter Kontrolle Einhalt gebieten können. Wir fordern die FDP auf, an diesem Kurs festzuhalten und mit uns den aufgezeigten Weg zu gehen.

Bundesweit einheitliche Nummer für medizinische Notfälle

Die Jungen Liberalen fordern, dass die Notrufnummer für Brandeinsätze 112 ebenfalls auf medizinische Notfälle auszuweiten und flächendeckend in Baden-Württemberg die Rettungs-dienstleitstellen für die Feuerwehr und Rettungsdienst zusammenzulegen.

Gegen ein Pflichtpfand auf Getränkedosen – gegen ein zweites Pfandsystem

Die Jungen Liberalen Baden-Württemberg setzen sich gegen die Einführung eines Pflichtpfandes auf Bier- und Mineralwasserdosen zu Beginn des neuen Jahres ein.

In der Verpackungsverordnung von 1992 hatte sich die deutsche Industrie dazu verpflichtet, 72% aller Getränke in Mehrwegverpackungen abzufüllen. Sollte diese Quote unterschritten werden, droht der Gesetzgeber mit der Verhängung eines Pflichtpfandes auf Einwegverpackungen in dem Getränkesektor, in dem die Quote unterschritten würde. Von 1992 bis 2000 ist die Mehrwegquote, gemittelt über alle Bereiche von 73,6% auf 66% gefallen. In den Bereichen Bier und Mineralwasser wurden die geforderten Quoten schon 1997 und 1998 unterschritten. Bundesumweltminister Trittin kündigte aus diesem Grund die Einführung eines Pflichtpfandes auf Getränkedosen an. Anders jedoch, als in der noch vom früheren Bundesumweltminister Töpfer stammenden Verpackungsverordnung, die nur ein Pfand auf die Getränkebereiche vorsieht, in denen die Quoten unterschritten wurden, wollte Trittin eine Novelle der Verpackungsverordnung schaffen. Diese geplante Novelle sah ein Pfand auf alle Getränkedosen sowie auf die meisten Einwegflaschen mit Beginn des Jahres 2002 vor. Diese Novelle, die vom Bundestag beschlossen worden war, scheiterte am 13. Juli im Bundesrat. Da sich auch für einen aus Bayern stammenden Alternativvorschlag, der im Falle eines Unterschreitens der Mehrwegquoten Vertragsstrafen zulasten der Industrie vorsah, keine Mehrheit im Bundesrat fand, kann nun die Regelung der alten Verpackungsverordnung angewendet werden.

Die Anwendung dieser Regelung bedeutet für den Handel, dass er neben den schon bestehenden Rückgabemöglichkeiten für Pfandflaschen, eine zusätzliche Möglichkeit für die Rückgabe von Dosen schaffen muss. – Jedenfalls sofern es nicht in letzter Minute noch zu Nachverhandlungen und einer anderen Lösung kommt. – Diese Einführung eines neuen Pfandsystems bringt zum einen finanzielle Belastungen für die Händler, die diese vermutlich an die Kunden weitergeben werden. Zum anderen wird die Einführung bei kleineren Einzelhändlern auch auf räumliche Probleme stoßen. Zusätzlich muss man sich fragen ob es Sinn macht, gegen die fehlende Bereitschaft der Kunden, Getränkeverpackungen zum Händler zurückzubringen, mit der Schaffung eines zweiten Pfandsystems anzugehen. Denn dieses System basiert, soll es nicht nur als versteckte Preiserhöhung dienen, wieder darauf, dass Verpackungen zurückgegeben werden. Hierbei sollte man sich vor Augen führen, dass der Kunde ja heute die Möglichkeit hat, sich zu entscheiden, in welcher Verpackung er das gewünschte Getränk kaufen will und sich bewusst für Einwegverpackungen entscheidet. Weiterhin muss festgestellt werden, dass der Kunde, kauft er eine Einwegverpackung, über den Grünen Punkt schon einmal für die Entsorgung der Verpackung zur Kasse gebeten wurde und dies damit gerechtfertigt wird, dass diese Verpackung als Müll anfällt.

Es sollte also, nach Meinung der Jungen Liberalen Baden-Württemberg, darum gehen, das Mehrwegsystem attraktiver zu machen und Einwegprodukte soweit wie möglich einzudämmen.

Die Jungen Liberalen sind nicht der Ansicht, dass die Politik hier Handel und Industrie den Weg zur Lösung des Problems vorschreiben sollte. Vielmehr sollten die beiden Verhandlungspartner, nötigenfalls durch Vertragsstrafen, an ihre freiwillige Selbstverpflichtung, die wohl aufgrund bisher fehlender Konsequenzen etwas in Vergessenheit geriet, erinnert werden.

Diese könnten dann selbst eine sachgerechte Lösung des Problems herbeiführen, größeres staatliches Eingreifen wäre unnötig. Neben dieser kurzfristigen Problemlösung, darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die bestehende Verpackungsverordnung aus umweltpolitischer Sicht vielfach ungenügend ist und ungünstige Lenkungswirkungen zeigt.

Auch künftig muss weiter an der Reduzierung der Müllmenge gearbeitet werden. Echte Wiederverwertung kann durch die bisher vielfach durchgeführte „thermische Verwertung“ nicht ersetzt werden. Die bisherige Verpackungsverordnung setzt in vielen Bereichen umweltschädliche Verpackungen mit umweltfreundlicheren gleich.

Vor diesem Hintergrund fordern die Jungen Liberalen eine vollständige Novellierung der Verpackungsverordnung. Ein neues System dürfte nicht nur die Menge der Verpackung sondern auch ihre Art berücksichtigen. Produkte, die sich in Umweltbilanzen als günstig herausgestellt haben müssten, gegenüber ungünstigeren bevorzugt werden.

Hierzu würde sich ein Lizenzsystem auch über den Getränkemarkt hinaus gut eignen und wäre nach Meinung der Jungen Liberalen anzustreben. Unterschiedlich umweltfreundliche Verpackungen könnten mit unterschiedlich teuren Lizenzen belegt werden, was sich direkt auf den Preis auswirken würde. Hierdurch wäre eine Lenkung des Marktes ohne Quoten und ständiges staatliches Eingreifen möglich.

Berufliches Bildungswesen in Mündigkeit entlassen – Marktöffnung und Wettbewerb als Leitbild moderner Beruflichkeit


Betriebliche Ausbildung ohne Bevormundung

Mehr als zwei Drittel der Schulabgänger in Deutschland absolvieren eine Ausbildung im dualen System. Dieses System weiterzuentwickeln und für die Herausforderungen einer sich rasant wandelnden Berufswelt zu rüsten ist den Jungen Liberalen ein zentrales Anliegen. Der Kostenaufwand für alle Ausbildungspartner muss dabei vertretbar bleiben.

Volle Berufsfähigkeit bleibt Bildungsziel

Berufsausbildung im dualen System und praxisorientierte Weiterbildung im Betrieb sind gleichermaßen Besonderheit und Gütesiegel des Bildungswesens in Deutschland. Betrieb und Schule vermitteln erfolgreich die volle Berufsfähigkeit. Die Ausbildung im Dualen System konkurriert heute mit alternativen Angeboten. In Europa reichen diese Alternativen von einer stark staatlich ausgerichteten beruflichen Schulbildung nach französischem Muster bis zu einer fast systemfreien Modulausbildung nach englischem Muster, die ein atomistisch strukturiertes Anlernen ermöglicht.

Aber auch national gerät das Grundmodell Betrieb – Schule unter belebenden Wettbewerbsdruck. Eine steigende Zahl an differenzierten vollzeitschulischen Ausbildungsangeboten stehen neben pluralen Ausbildungsangeboten im Betrieb – von Ausbildungsverbünden bis hin zu überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Dazu gesellen sich neue Bildungsangebote mit dualen Momenten im Hochschulsektor und im sog. Tertiären Bereich der Akademien.

Parallel verändern sich auf betrieblicher Seite die qualifikatorischen Ansprüche. Die betriebliche Ausbildung muss im Zeichen der Globalisierung für tiefgreifende Veränderungen offen sein, um einer vollen Berufsfähigkeit als Bildungsziel gerecht zu bleiben. Die Reform der Berufsausbildung im Dualen System muss auf sechs Trends eingehen:

Stete und starke Abnahme des Bedarfs an unqualifizierter Arbeit
Das schnelle Wachstum des Dienstleistungssektors
Kostenreduktion ohne Qualitätseinbußen
Stärker prozessorientierte, kooperative und in Art und Dauer variable Tätigkeitsprofile
Der gesellschaftliche Druck auf Politik und Wirtschaft, das betriebliche Ausbildungswesen auch in Zeiten von Rationalisierung und geringem Wirtschaftswachstum allen ausbildungswilligen Schulabgängern offen zu halten
Die Erwartung an Politik und Wirtschaft, mittels beruflicher Aus- und Weiterbildung Wege zum individuellen beruflichen Erfolg zu erschließen

Grundsätze moderner Ausbildung

Ausbildungsziel bleibt die volle Berufsfähigkeit. D.h. mit Ausbildungsabschluss eine vollwertige Erwerbstätigkeit aufnehmen zu können, ohne dass zusätzlich eine stützende Betreuung erforderlich wird. Die Einarbeitung muss weiterhin auf ein notwendiges Minimum beschränkt bleiben.
Berufsprofile als Systemkern. Konkrete, klar abgrenzbare Berufsprofile bilden den Systemkern und vermitteln eben für jenen Beruf die volle Arbeitsfähigkeit und volle berufliche Kompetenz. Im Zentrum steht dabei die fachliche Qualifizierung. Schlüsselqualifikationen, Methoden- und Prozesskompetenz sind nach dem jeweiligen Berufsbild zu definieren und in der Ausbildungspraxis mit dem fachlichen Teil zu verbinden. Ziel ist die Befähigung zu selbständiger Planung, Durchführung und Kontrolle im gewählten Berufsprofil.
Berufsprofile ergeben sich aus Tätigkeitsfeldern, die in einem fachlichen Zusammenhang miteinander stehen und transparent, bundesweit, verlässlich, dauerhaft und prüffähig vermittelt werden können. Weder ein reines Modulsystem, noch ein Übermaß an Prozessqualifikation entsprechen dieser Anforderung. Die Identifikation von Absolventen des dualen Systems mit einem bestimmten Beruf wirkt stark motivierend und damit produktiv. Sie muss erhalten bleiben. Parallel ist jedoch mehr Flexibilität in der konkreten Gestaltung und Umsetzung der Ausbildung zu ermöglichen.
Duales Mischungsverhältnis frei wählbar. Die deutsche Wirtschaft fordert eine Ausweitung des betrieblichen Anteils der Ausbildung, um das Erfahrungslernen zu intensivieren. Aber auch der Kostenaspekt scheint hier unausgesprochen eine – durchaus legitime – Rolle zu spielen. Die Jungen Liberalen wenden sich gegen starre Vorgaben bezüglich des Verhältnisses der schulischen und betrieblichen Ausbildungsanteile. Vielmehr wollen wir zwei Minimalanforderungen an Schulen und Ausbildungsbetriebe richten; eine Minimum an schulischen Unterrichtsstunden auf der einen Seite und ein Minimum an betrieblichen Ausbildungsstunden auf der anderen Seite. Die Gesamtdauer der Ausbildung und damit die Summe der Schul- und Betriebsstunden richtet sich nach dem gewählten Zeitkorridor der Ausbildung (s. III 1.). Zwischen beiden Extremen dürfen sich dann Betrieb und Auszubildender bewegen. Sie werden sich ein auf ihre Bedürfnisse ausgerichtetes schulisches Bildungsangebot auswählen (s. Teil B: Autonome Berufsschule).
Das Zusammenstellen verzahnter Qualifikationspakete nach dem individuellen fachlichen Bedarf von Unternehmen unterschiedicher Größe
Ausbildungspotentiale erhöhen, v.a. in hochspezialisierten Unternehmen
Berufsbildende Integration Lernschwacher
Bessere Förderung Leistungsstarker ermöglichen
Verlässlichkeit beruflicher Qualifikationen im gesamten deutschen Wirtschaftsraum
Den staatlichen Berufsschulen Wege zum Bestehen im verbesserten Wettbewerb eröffnen
Gleichzeitig die wettbewerbsverzerrende Wirkung des staatlichen Berufsbildungswesens ausschalten

Satellitenmodell – Modell der fünf Freiheiten

Von den unzähligen Vorschlägen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik für einzelne Teilreförmchen der bundesdeutschen Berufsausbildung, unterstützen die Jungen Liberalen im Grundsatz das sog. Satellitenmodell. Die Jungen Liberalen schlagen es jedoch als neues, grundlegendes Ordnungsmodell für das gesamte Berufsausbildungswesen im dualen System vor. Es differenziert bei der betrieblichen Ausbildung drei Bereiche: Grundqualifikation (verpflichtend und berufsprofilgebend), Wahlpflichtbausteine (verpflichtende Auswahl einer Mindestanzahl von Zusatzqualifikationen innerhalb eines vorgegebenen Spektrums, berufsprofilschärfend) und Wahlbausteine (freie Auswahl von Zusatzqualifikationen und Vertiefungen). Das Satellitenmodell eignet sich für alle Formen der Qualifizierung nach Berufsbildern. In größerer Flexibilität und gesteigerter betrieblicher Differenzierung können für die jeweiligen Berufsprofile fachliche Qualifikationen vermittelt, vertieft und erweitert, die spezifische Handlungskompetenz erhöht, Zusatzqualifikationen angeboten und insgesamt eine engere Verbindung der Ausbildung zum Lernen in der Praxis erreicht werden. Um das Satellitenmodell bei der Vertragsgestaltung in der vollen Breite des dualen Systems einzuführen sind folgende Schritte notwendig:

Flexibilisierung von Ausbildungsdauer und –inhalten

Die Jungen Liberalen fordern eine Flexibilisierung der Ausbildungszeit für alle Berufe nach dem Berufsbildungsgesetz, um dem individuellen Ausbildungsbedarf der Betriebe und der individuellen Leistungsfähigkeit der Auszubildenden gerecht zu werden. Die starre Festlegung auf eine Ausbildungszeit von 3 bzw. 3,5 Jahren hat in der Praxis zu einer umständlichen Syntax von möglichen Verkürzungsgründen geführt. Deshalb befürworten wir einen Zeitkorridor mit verbindlichen Eckwerten von mindestens 2 bis höchstens 3,5 Jahren. Dadurch eröffnen sich zeitlich wie inhaltlich Wahloptionen für Betrieb und Auszubildenden. Mit Abschluss des Ausbildungsvertrages einigen sich beide Parteien neben den berufsprofilgebenden Standardanforderungen auf das Angebot vertiefender, ergänzender oder sonstiger Qualifikationen. Inhaltlich wählen sie Wahlpflichtbausteine und ggf. Wahlbausteine aus. Mit der Bestimmung der Wahlpflicht und Wahlbausteine werden die über die berufsprofilgebenden Standards hinaus gehenden Prüfungsinhalte festgelegt. Betrieb und Auszubildender entscheiden, in welcher Form und Zeit die volle Berufsfähigkeit in einem bestimmten Zeitrahmen innerhalb des übergreifenden Zeitkorridors vermittelt wird.

Ordnungspolitische Reform

Künftig ist das starre Institut der Ausbildungsordnung als Rechtsverordnung auf die beruflichen Kernqualifikationen als Mindestausbildungsinhalt (berufsprofilgebend) zu reduzieren. Damit ist die Vielzahl geregelter fachrichtungsspezifischer Qualifikationen innerhalb eines Berufsbildes radikal zu reduzieren. Die Ausbildungsordnung hat nur noch Rahmenüberschriften aufzuführen. Darüber hinaus regelt die Ausbildungsordnung künftig die Mindestzahl und die Auswahlmöglichkeiten der berufsprofilschärfenden Wahlpflichtbausteine.

Prüfungsinhalte

Prüfungen haben weiterhin das Ziel der bundesweiten Vergleichbarkeit und Transparenz von Ausbildungsleistungen auf qualitativ hohem Niveau. Sie müssen die überbetriebliche Aussagefähigkeit wie auch die Mobilität der Absolventen gewährleisten. Ein überregional einheitlicher Charakter von Prüfungsstrukturen und –aufgaben ist daher nötig. Im Satellitenmodell müssen die Prüfungen entlang des individualisierten Ausbildungsrasters stattfinden.

Zur Prüfung der Grundqualifikationen und der Wahlpflichtbausteine ist das aktuelle Kammermonopol jedoch keinesfalls vonnöten. Auch bei derlei hoheitlichen Aufgaben ist die Zulassung von Wettbewerb möglich und nötig. Für Wahlbausteine und Zusatzqualifikationen sind von den autorisierten Stellen ebenfalls Prüfoptionen anzubieten. Auf Zwischenprüfungen kann im Satellitenmodell verzichtet werden, denn Abschlussprüfungen können zeitlich deutlich vor dem Ausbildungsende begonnen werden.

Modell der fünf Freiheiten

Die fünf Freiheitsdimensionen des Satellitenmodells sind: a) Wahl der Ausbildungsdauer: zwischen 2 und 3,5 Jahre b) Wahl der Ausbildungsinhalte: Wahlpflichtbausteine zur Auswahl, Wahlbausteine zur freien Wahl c) Wahl des Prüfungstermins: Prüfungen können je nach Bedarf in Etappen erfolegen d) Wahl der prüfungsabnehmenden Stelle: Das Kammermonopol in diesem Bereich ist aufzubrechen e) Freiwilligkeit der Prüfung in Wahlbausteinen


Die Autonome Berufsschule

Die neuen flexiblen Ausbildungsanforderungen in den Unternehmen müssen von den Berufsschulen begleitet und unterstützt werden können.

Modernisierung der Berufsschulen

Die Berufsschulen stehen vor großen Herausforderungen: Neue und modernisierte Berufe mit vielfältigen Wahlelementen erhöhen das Ausbildungsengagement der Betriebe, stellen die Berufsschulen aber vor Organisationsprobleme. Die Ausstattung der Berufsschulen entspricht häufig nicht den Anforderungen moderner Berufe. Sie ist abhängig von der Finanzlage der Träger (Stadt- und Landkreise gem. § 28 Schulgesetz BW). Die Lehrerschaft droht zu veralten, ein Lehrermangel in anspruchsvollen Zukunftsberufen ist absehbar. Der Modernisierungskurs in der Beruflichen Bildung darf deshalb vor der Berufsschule nicht halt machen. Anspruchsvolle Ausbildungen im Betrieb bedürfen einer leistungsfähigen Ergänzung durch den Partner Berufsschule. Insbesondere kleinere und mittlere Ausbildungsbetriebe wären ohne Berufsschule nicht in der Lage, ihre Auszubildenden zur Berufsbefähigung zu führen.

Schlechte Performance der unselbständigen Berufsschule
Gleichwohl müssen sich die Berufsschulen ändern. Die Unzufriedenheit der Schüler wie der Betriebe mit den Leistungen der Berufsschulen ist enorm. Auszubildende schätzen die Qualität des Lernortes Betrieb mit großem Abstand höher ein als den des Lernortes Berufsschule.

Fehlende Gestaltungsmöglichkeiten
Die Kundenzufriedenheit kann nur dann zunehmen, wenn das Angebot besser auf die Zielgruppen ausgerichtet wird. Fehlende Gestaltungsspielräume verhindern pluralistische Profilbildungen, Kundenorientierung und Qualitätsausrichtung im Rahmen bundeseinheitlicher Standards für die Ausbildung in Betrieb und Schule.

Gestaltungsspielräume für bessere Kundenorientierung schaffen

Veränderte Zielgruppe

Die Kunden der Berufsschule sind die Ausbildungsbetriebe, ebenso aber die Auszubildenden. Von großer Bedeutung – aber bislang weitgehend ohne Konsequenz – ist der Wandel der Zielgruppe. Bestand noch vor dreißig Jahren der Großteil der Berufsschüler aus einer relativ homogenen Gruppe minderjähriger Hauptschulabgänger, so sehen sich die Berufsschulen heutzutage einer heterogenen Gruppe von zumeist erwachsenen Auszubildenden mit überwiegend mittlerem oder höherem Schulabschluss gegenüber.

Kein Zwang zur Allgemeinbildung Allgemeingebildeter

Für die betroffenen Schüler und Ausbildungsbetriebe unverständlich ist, dass auch Erwachsene mit mittlerem oder höherem Abschluss an allgemeinbildenden Schulen in einem Drittel ihrer Berufsschulzeit nochmals „allgemein gebildet“ werden sollen.

Heterogenes Angebot für heterogene Kundschaft

Der zunehmend heterogenen Kundschaft begegnen die Berufsschulen bislang mit einem weiterhin einheitlichen Angebot. Die Berufsschulen drohen damit in der sich wandelnden Bildungslandschaft, in der allerorts um Gestaltungsspielräume, Profilbildung, Kundenorientierung und Qualitätssicherung gerungen wird, zu einem Fossil zu werden.

Neue Berufsstrukturen berücksichtigen

Die Berufsschulen sind Gefangene im engen Korsett eines nivellierenden Systems. Sie müssen sich aber den Herausforderungen aus der Entwicklung neuer und zukunftsgerichteter Berufsbilder individuell stellen können. Um der immer differenzierteren betrieblichen Wirklichkeit besser gerecht zu werden, enthalten neue Ausbildungsordnungen zunehmend Wahlmöglichkeiten für bestimmte Ausbildungsinhalte. Auf diese Weise gelingt es auch in stark fragmentierten Branchen kleinere, ausbildungsunkundige Betriebe für die Ausbildung zu gewinnen, welche die Inhalte einer Ausbildungsordnung allein nicht vollständig vermitteln könnten. Künftig sind immer weniger uniforme Ausbildungsordnungen zu erwarten.

Ausbildungsordnungen mit Gestaltungsspielraum

Die Berufsschulen gerieten in einen kaum lösbaren Konflikt, wollten sie der Differenzierung der betrieblichen Ausbildungsinhalte eine ähnlich weitgehende Differenzierung der schulischen Ausbildungsinhalte entgegen stellen. Wahlbausteine, die nur von relativ wenigen Betrieben vermittelt werden, könnten von den Berufsschulen nur in überörtlichen Fachklassen vermittelt werden. Die von Schülern wie Betrieben immer wieder aufgestellte Forderung nach einer wohnort- und betriebsnahen Beschulung könnte damit nicht gewährleistet werden.

Rahmenlehrplan und Ausbildungsordnung

Die unterschiedlichen Aufgaben der beiden Lernorte Schule und Betrieb kommen auch bisher schon dadurch zum Ausdruck, dass für Betriebe Ausbildungsordnungen verpflichtend sind, während sich die Berufsschule an Rahmenlehrplänen ausrichtet. Eine inhaltliche Abstimmung von Ausbildungsordnung und Rahmenlehrplan ist Voraussetzung für eine sinnvoll strukturierte Ausbildung. Keinesfalls sind sie aber identisch. Für die Autonome Berufsschule sollen durch Rahmenlehrpläne lediglich Mindeststandards festgelegt werden. Folgerichtig wird bei modernen Ausbildungsordnungen mit Wahlelementen schon heute nicht zwangsläufig auch ein Rahmenlehrplan mit Wahlelementen beschlossen. So enthalten die Ausbildungsordnungen für die neugeordneten Druckberufe eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten, die Rahmenlehrpläne sehen jedoch nur eine geringe Differenzierung vor. Auf diese Weise kann es gelingen, zusätzliche Ausbildungsbetriebe mit spezialisierter Produktpalette zu gewinnen, ohne dass Ausbildungsstandards verloren gehen.

Profilbildung ermöglichen

Schon bislang konnten – und mussten – die Berufsschulen nicht jeden einzelnen Inhalt einer Ausbildung schulisch begleiten. Die neue Lernfeldorientierung verlangt sogar noch nach einer stärkeren Konzentration auf berufstypische Themen. Damit ergibt sich die Folgerung, dass sich die Berufsschulen auf die Vermittlung von Grundqualifikationen konzentrieren können.

Bei Ausbildungsordnungen, die neben Grundqualifikationen auch Wahlpflicht- und Wahlbausteine enthalten, gehört deshalb die schulische Vermittlung der Wahlelemente nicht zwingend zum Standardangebot der einzelnen zuständigen Berufsschule. Die Berufsschulen sollten aber Entsprechendes als Dienstleistung für Betriebe und Auszubildende anbieten können. Sie treten dann auf diesem Feld in Konkurrenz mit anderen Anbietern, seien es private Berufsschulen, Akademien, freie Träger oder aber auch betriebliche Eigenleistungen. Hiermit ergeben sich für die Berufsschulen Chancen zur stärkeren Profilgebung.

Autonome Berufsschule

Voraussetzung für diese Abkehr vom für alle Berufsschulen verpflichtenden Einheitsprogramm ist eine stärkere Autonomie der einzelnen Schule. In dem Maße, in dem der Schule Verantwortung übertragen wird, gewinnt sie an Selbständigkeit und Handlungsfreiheit.

Wettbewerb über Qualität und Profil des Bildungsangebots

In erster Linie findet in einem liberalen System des Wettbewerbs der Autonomen Berufsschulen die Evaluation mit den Füßen statt. Die Autonomen Berufsschulen konkurrieren über die unterschiedlichen Profile und die Qualität der Bildungsangebote um die Bildungsnachfrage. Zu diesem Zwecke müssen die Kunden der Berufsschulen, die auszubildenden Berufsschüler und die Ausbildungsbetriebe, mit Nachfragemacht ausgestattet werden. Die Jungen Liberalen setzen sich in den Stadt- und Landkreisen deshalb für Modelle zur Finanzierung der Berufsschulen über Bildungsgutscheine ein. Dabei bestimmt sich die Höhe der einzelnen Globalhaushalte der Berufsschulen nach deren individueller Frequentierung. Bei Bildungsgutscheinen handelt es sich um fixe Pro-Kopf-Beträge, die Schüler und Ausbildungsbetrieb einvernehmlich bei einer Berufsschule ihrer Wahl einlösen. Sie sind sowohl bei staatlichen als auch bei (teil-)privaten Berufsschulen einlösbar. Dadurch verliert das staatliche Berufsschulwesen seinen wettbewerbsverzerrenden Charakter. Gleichzeitig wird der Zugang zu privaten Bildungseinrichtungen von den finanziellen Verhältnissen des Schülers und seines Betriebs stärker entkoppelt.

Qualität sichern

Autonomie ohne einengende Vorgaben und Kontrollen muss die verstärkte Eigenverantwortung der einzelnen Schulen mit Blick auf Budget, Schulangebot und Lernmethoden mit einer stärkeren und regelmäßigen Evaluation verbunden werden.

Evaluation statt Schulaufsicht

Qualitätssicherung und –steigerung müssen von den einzelnen Schulen gewährleistet werden. Vergleichstests erhöhen die Markttransparenz und damit die positiven Effekte des Wettbewerbs. Sie sind den Kunden der Berufsschulen ebenso eine wichtige Orientierungshilfe wie die Einführung zertifizierter Qualitätsmanagementsysteme.

Qualität dokumentieren

Ohnehin muss die Gewährleistung der vollständigen Vermittlung der in den Rahmenlehrplänen enthaltenen Ausbildungsinhalte – anders als bislang – zur Mindestanforderung werden. Dabei sollte das Pflichtprogramm der Berufsschulen bei differenzierten Berufsbildern auf die Grundqualifikationen beschränkt werden. Notwendig wäre eine von Dritten überprüfte und rechtlich anfechtbare Vermittlungsgarantie.

Selbstverpflichtung der Schulen zur Vermittlung

Die Erfüllung von Qualitätsstandards wird häufig auch als Vorbedingung für die Anrechnung von Berufsschulleistungen auf die Abschlussprüfung genannt. Allerdings scheint in einem sich absehbar ändernden Umfeld die bloße Forderung nach Anrechnung nicht sinnvoll. Die Abschlussprüfungen verändern sich in Richtung Handlungsorientierung; moderne Prüfungsformen unterscheiden mitunter nicht einmal mehr nach schriftlicher und praktischer Prüfung. Konnten früher Berufsschulfächer und Prüfungsfächer zumindest teilweise zugeordnet werden, ist eine Zuordnung von Lernfeldern und Teilen einer ganzheitlichen Abschlussprüfung kaum noch möglich.

Anrechnungsforderung nicht mehr sinnvoll

Gleichzeitig ist ein zunehmend differenziertes Angebot der einzelnen Schulen zu erwarten, da mehr als bei der bisherigen Fächerorientierung der pädagogischen Freiheit des Lehrers überlassen bleibt. Die sinnvolle Ausrichtung auf die Branchen- und Größenstrukturen vor Ort und auf das individuelle Lerntempo der Teilnehmer bringt es mit sich, dass die Vergleichbarkeit auf Notenbasis immer weniger gegeben sein wird.

Der Segen des Wettbewerbs

Generell herrschen in der Wirtschaft Zweifel, ob die Berufsschulen ohne weiteres in der Lage sein werden, eine Ausbildungsverpflichtung einzugehen. Die dem raschen technologischen Wandel kaum nachkommende Ausstattung der Berufsschulen, deutet auf fortbestehende Defizite hin. Es kann in einem System der Autonomen Berufsschulen für die Vermittlung fachtheorethischer Inhalte vermehrt auf Praktiker zurückgegriffen werden. Ein verstärkter Personaltausch zwischen Ausbildern und Lehrern könnte das Zusammenwirken der Lernorte verbessern.

Ausstattungsmängel

Die aufgezeigten Reformschritte würden die Berufsschulen wegbringen von einer staatlichen Zwangseinrichtung, der Betriebe und Auszubildende oftmals nur entfliehen wollen. Die Berufsschulen könnten sich im Wettbewerb der regionalen Bildungszentren weiter entwickeln.

Berufsschulen in die Mündigkeit entlassen

Die weiterhin wenigstens anteilig aus öffentlichen Mitteln finanzierten Berufsschulen hätten die Pflicht zur Bereitstellung bestimmter Leistungen. Diese müssten sie aber nicht unbedingt selbst erbringen, sie könnten bestimmte Leistungen auch einkaufen, z.B. durch Nutzung modern ausgestatteter Bildungszentren oder durch den Einsatz qualifizierter Experten. Solche Wege des Public-Private-Partnership müssen im Bildungsbereich – wie schon jetzt in anderen Politikbereichen – selbstverständlich werden.

Pflichtprogramm durch Zukauf optimieren

Neben dem schon fast etablierten Wanderlehrer kann zukünftig auch das Telelernen eine wichtige Rolle spielen. Gerade in der Fläche kann es dazu beitragen, die Wege zum Unterricht zu verkürzen. Die Schüler müssen nicht unbedingt in die Schule kommen; auch die Schule kann auf elektronischem Weg zum Schüler kommen. Der Lehrer kann sich dann auf die „coach“-Funktion zurückziehen.

Abbau der Warteschleifen

Die durch schwindende Schülerzahlen in den nächsten Jahren frei werdenden Kapazitäten sind der Modernisierung der Berufsschulen zuzuführen. Insbesondere werden viele der sogenannten berufsvorbereitenden Maßnahmen entbehrlich sein, wenn die Schulabgängerzahlen zurückgehen. Die Umschichtung zugunsten der betrieblichen Ausbildung muss schon jetzt vorausschauend beginnen.

Umschichtung der Kapazitäten

Über die Pflichtelemente der Berufsschule hinaus hätten Auszubildende und Betriebe selbst die Pflicht zur Aneignung der die betriebliche Ausbildung ergänzenden Inhalte. Der Wettbewerb unter den Anbietern führt zwangsläufig zu mehr Qualität und damit auch zur Stärkung des dualen Systems.

Mehr Berufsperspektive durch Praxisnähe – Reform der Hauptschule


Allgemein

Schule ist ein Subsystem der Gesellschaft – eingebunden sowohl in politische wie vor allem auch in ökonomische Zusammenhänge: Werden von der Politik in erster Linie die Rahmenbedingungen gesetzt, so stellt die Wirtschaft Qualifikationsansprüche an die Schule, etwa in der Benennung von Anforderungen an die Berufsfähigkeit, aber auch an die Persönlichkeitsbildung allgemein. Die Schule indes entlässt Jugendliche zurück in die Gesellschaft, befähigt einerseits zu einer persönlich gelingenden Lebensgestaltung und –bewältigung, andererseits aber auch zur Übernahme von Verantwortung zur Mitgestaltung und Weiterentwicklung des gesellschaftlichen Lebens, im umfassenden Sinne der Lebensqualität aller Bürger und somit des Gemeinwesens. Diesen hohen Anspruch an die Sinnhaftigkeit von Schule können insbesondere die Hauptschulen in der Vergangenheit nicht für jeden Jugendlichen und zu jeder Zeit im vollen Umfang erfüllen. Rund 15 Prozent der Hauptschüler verlassen im Landesdurchschnitt die Schule vor Beendigung der neunten Klasse. Dieser Trend wird sich aufgrund steigender sozialer Probleme und daraus resultierender Perspektivlosigkeit weiter fortsetzen. Die Handwerksbetriebe hingehen beklagen die allzu oft mangelnde Bildung sowie schlechten Mathematik- und Deutschkenntnisse ihrer Hauptschulazubis. Die Hauptschule ist die richtige Schulart für Schülerinnen und Schüler, die den Schwerpunkt ihrer Begabungen, Leistungen und Interessen im anschaulichen Denken und im praktischen Umgang mit konkreten Dingen haben. In Kombination mit der Werkrealschule ist es Schülern – die nicht von Beginn an ihr gesamtes Leistungspotential abrufen können – außerdem möglich, weiterführende Schulen bis hin zur Universität in ihrem späteren Lebensverlauf zu besuchen In diese Sinne muss Schule und Unterricht für die betroffene Schülergruppe neu gestaltet werden, um Unterrichtsmüdigkeit, „Nullbock-Haltung“, Schulabbrüchen entgegen zu steuern und neben Wissenserwerb, Methodentraining und soziale Kompetenzen zu vermitteln. Die Hauptschule muss – angesehen von der zehnten Klasse – wieder mehr in Richtung Handwerk und Wirtschaft ausgerichtet werden und somit den Grundstein für die verstärkte Fachkräfteausbildung bilden. Hierbei ist noch einmal herauszustellen, dass die Schulen autonomer und somit selbstverantwortlicher werden müssen. Im Hauptschulbereich muss sich dies insbesondere auf die Lehrplanausgestaltung, das eigene Budget, die Einstellung von Lehrpersonal, Praktika, die Schaffung von Ganztagesangeboten, die thematische Umsetzung der Projektprüfung sowie auf die Ausgestaltung des Schulprofis beziehen. Den Schülern muss es vor Ort möglich gemacht werden, in die Schule zu gehen, die ihren Bedürfnissen in Ausstattung und Profil am besten entspricht. Eine starre Schülerzuteilung nach Wohngebiet und Ortsgrenzen – wie derzeit die Regel – ist deshalb abzulehnen. Nur durch mehr Autonomie und Wahlfreiheit für Schüler und Schule ist es möglich, die ganze Bandbreite an vorhandenen Talenten junger Menschen zu nutzen.


Maßnahmen

Kleinere Klassen

Am Rande der Beschulbarkeit: Klassengrößen von weit über 25 Schüler wie derzeit in vielen Lehranstalten bittere Realität und müssen zukünftig der Vergangenheit angehören. Bei einer solch hohen Schülerzahl ist das tägliche Lernen ineffektiv, auf individuelle Schwächen, zum Beispiel mangelnde Sprachbeherrschung ausländischer Schüler, können die Lehrer nur in den seltensten Fällen intensiv eingehen. Sinnvoller wäre eine maßvolle Verkleinerung der Klassen auf maximal 18 Schüler, um besseres, personalisiertes Arbeiten zu fördern, im Gegenzug aber auch ein Untergehen von ruhigen Klassenmitgliedern zu verhindern, diese zur aktiven Teilnahme zu bewegen und Eigenständigkeit zu fördern.

Veränderter Unterricht

Um den heutigen Anforderungen und benötigten fachlichen wie menschlichen Anforderungen gerecht zu werden, bedarf es weitreichender Veränderungen in der Unterrichtsgestaltung.

Aufwertung des Unterrichts: Die aktuellen Stundenzahlen sind angesichts des steigenden Stoffvolumens mittelfristig nur schwer auf dem Niveau von heute zu halten. Eine langsame Steigerung wie Umverteilung der Stunden pro Schuljahr sollte so aussehen wie in Anlage 1 dargestellt. Wie aus dem Stundenplan ersichtlich, ist die zehnte Stufe die Abschlussklasse der Werkrealschule. Die zehnte Klasse ist freiwillig. Der Einstieg in diese wird durch den neuen Aufbau der Wochenstundenzahlen und die Anhebung des Gesamtniveaus ab der fünften Klasse vereinfacht und soll mehr Schüler ermutigen, die Mittlere Reihe zu absolvieren.

Auch diejenigen, die schon nach der neunten Klasse ins Berufsleben möchten, sind für die heutige Arbeitswelt durch die Vertiefungen in Deutsch, Mathematik, Englisch und Informatik besser gewappnet. Folglich sind die Forderungen der Wirtschaft an die Qualifikationen der Schulabgänger umfassender erfüllt.

Im Vordergrund des neuen Hauptschulunterrichts muss die Sicherung von Grundkenntnissen in Deutsch, Mathematik und Englisch stehen, denn hier scheinen die Lücken am größten. Anknüpfungen an Sachthemen und anwendungsbezogene Inhalte sind ebenso selbstverständlich wie gezieltes spezielles Üben im Kurssystem (z.B. „Büffelkurse“ in Deutsch und Mathematik). In der frei zur Verfügung stehenden Zeit, etwa während des Unterrichts oder in längeren Mittagspausen, muss verstärkt auf individuelles Erarbeiten von Themen und Inhalten gesetzt werden. Der Unterricht muss sich schwerpunktmässig an den Themen ausrichten, die den Schülern für ihre Entwicklung während der Ausbildung besonders hilfreich und wegweisend sind. Diese sollen konsequent projekthaft und epochal in Gruppen vermittelt werden. Auf diese Weise soll das allseits geforderte, aber bislang nicht mit Entschiedenheit praktizierte selbstständige Lernen, die Förderung von Teamfähigkeit sowie der Erwerb von Schlüsselqualifikationen umgesetzt werden.

Als korrektes Instrument zur Förderung dieser Maßnahmen dienen Projektarbeiten, in denen die Schüler gemeinsam ein Unterrichtsthema aus verschiedenen Perspektiven heraus bearbeiten und vertiefen. Die Projekterstellung ist gleichfalls Bestandteil der Abschlussprüfung und bildet neben den drei Hauptfächern (zentrale Prüfung), den vierten großen Prüfungsteil, der sich zeitlich über das ganze neunte Schuljahr erstrecken kann.

Der Umgang mit dem Computer, d.h. u.a. Übungen zur Vertiefung der Deutschkenntnisse, Internetfähigkeit, allgemeine Computerkenntnisse in Form von spielerischer Erarbeitung, muss bereits ab der fünften Klasse forciert werden, da schon in vielen Grundschulen hinreichend praktiziert. Außerdem muss der PC in jedem Schuljahr in alle Unterrichtsbereiche eingebunden werden. Schwerpunkt dabei: Intensive Nutzung von anwendungsorientierter Software.

Durch das Erreichen der 30 Wochenstunden ab der 6.Klasse kann und soll vermehrt auch Unterricht am Nachmittag gewährleistet werden und somit die starren Stundenplanstrukturen und –blöcke durchbrochen werden. Dadurch können die Schüler durch einen gut geplanten Stunden/Tagesplan zu mehr Eigenverantwortung und Selbstständigkeit auch während längerer Pausen herangezogen werden, wie z.B. durch Lerngruppen, Projektgruppen u.v.m. In diesem Kontext müssen eine Reihe von Ganztagesangeboten an der Hauptschule (genaueres beinhaltet Punkt 4) ergänzend eingeführt werden. Ziel dabei: Weiterentwicklung der Persönlichkeit, sozialer Fähigkeiten und der integrativen Teamarbeit.

Bei der Stundenplanreform sollen die Fächer Erdkunde, Wirtschaftslehre/Informatik, Geschichte/GK als Bereich „Gesellschaft“ und Physik, Biologie/Chemie als „Naturwissenschaften“ zusammen gefasst werden. Ziel ist dabei, Themengebiete nicht mehr starr, sondern fächerübergreifend nach den Vorstellungen und Profil der einzelnen Schulen zu behandeln.

Unterricht und Betrieb

Mehr praxisnaher Unterricht: Das derzeit zu absolvierende zweiwöchige Betriebspraktikum in der achten Hauptschulklasse ist aus zeitlicher und zugleich arbeitstechnischer Sicht wenig sinnvoll. Die Schüler blicken nur kurzzeitig in ein, zwei Berufsfelder hinein und müssen sich später ohne viel Praxisluft geschnuppert zu haben, für einen Ausbildungsberuf entscheiden. Besser wäre es, den Bezug zur Arbeitswelt durch mehrere Praktika über einen längeren Zeitraum zu ermöglichen.

In diesem Zusammenhang sollen die Schüler ab der achten Klasse die Möglichkeit erhalten, an mindestens vier Tagen pro Monat in der achten und neunten Klasse in Einbeziehung und Ergänzung des Technik/HTW-Unterrichts in verschiedene Firmen vor Ort zu gehen. Hierbei sollte die Praktikumsdauer etwa ein Halbjahr betragen. Dabei sollten auch Praktika, die in den Ferien und an Samstagen stattfinden, angerechnet werden. Auch hier gilt: Die einzelne Schule soll vor Ort mit ihren jeweiligen Partnern die zeitlichen Rahmenbedingungen für die Schulpraktika flexibel in Eigenregie abstecken.

Es ist davon auszugehen, dass die gesammelten Erfahrungen und Einblicke den betroffenen Schülern dabei helfen, eine bessere Berufswahl zu treffen. Hinzu kommt, dass durch fleißigen und couragierten Einsatz der Jugendlichen dem Klischee der schlechten, faulen und unqualifizierten Hauptschüler entgegen gewirkt werden kann. Im Gegenzug könnte der Inhaber/Ausbilder mit der Bedingung, dass sich die Deutsch- oder Mathematikfähigkeiten noch etwas verbessern müssten, eine Einstellung versprechen, was zusätzlichen Anreiz und Motivation für die Jugendlichen schafft. Durch eine schriftliche wie mündliche Nachbereitung der Betriebsbesuche, z.B. in Aufsatzform und Erfahrungsrunden, werden die Sprachfähigkeiten indes weiter verbessert.

Die Vermittlung von Kooperationspartnern konnte neben den jeweiligen Schulen auch die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammer sowie das Arbeitsamt (BIZ) übernehmen. Vereine, Verbände, soziale Einrichtungen und Kirchen, aber auch Polizei und Gewerkschaften, öffentliche Behörden sowie Unternehmen können als Partner dienen.

Diese sollten aber nicht nur außerhalb der Schule besucht, sondern ihr praktisches Wissen in die Lehranstalten im Rahmen von Diskussionen, Informationsveranstaltungen und Referaten einfließen lassen. Gesprächsrunden aller Beteiligten in regelmäßigen Abständen scheinen in diesem Kontext sinnvoll, um von gesammelten Erfahrungen aller Partein zu profitieren und Probleme bei den Betriebsbesuchen zu besprechen.

Sozialpädagogische Begleitung/Ganztagesangebote

Die Arbeit in den Hauptschulklassen wird angesichts steigender sozialer Schwierigkeiten (Drogen, Gewalt, Kriminalität) und Familienproblemen, mit denen sich die meisten Hauptschüler mehr und mehr konfrontiert sehen, immer schwieriger und stellt sehr hohe Anforderungen an die Lehrer. Doch diese können ihre Kräfte nicht voll auf die schulische, wissenschaftliche Ausbildung und im Gegenzug sozialpädagogische Arbeit legen. Deshalb muss zukünftig vermehrt auf den Einsatz von Sozialpädagogen gesetzt werden. Diese „Experten“ können besser auf Jugendliche eingehen und ihnen helfen, da sie weder als Autoritätsperson Lehrer, bzw. Eltern angesehen werden. Hierfür fordern wir die Einführung einer 150%igen Stelle für eineinhalb Sozialpädagoginnen und –pädagogen zur Abdeckung zielgruppenspezifische Probleme (Männer – Frauen).

Besonders die vom Land ausgerufenen „sozialen Brennpunktschulen“, derzeit ca. 170 Hauptschulen in Baden-Württemberg, müssen in diesem Punkt eine erste Unterstützung vom Land erhalten, die restlichen, weniger betroffenen Lehranstalten, etwa im ländlichen Bereich, mittelfristig aber nachziehen. So wäre auch eine verträgliche Finanzierung in mehreren Schritten möglich.

Die Schulsozialpädagogen sollen an den Schulen nicht nur Einzelfälle betreuen, sie müssen wegen der oft schwierigen Klassenkonstellation die Integration von Mitschülern, das Aufzeigen anderer Wege des Konfliktmanagements, das Übergeben von Verantwortung an einzelne Mitschüler und die Förderung von Selbstständigkeit, Teamspiel und Kreativität fördern und voran treiben.

Hier sehen wir das Angebot eines Nachmittagsangebotes, welches von Lehrern, Schülern, Eltern und Schulsozialpädagogen getragen wird, als optimale Lösung zur persönlichen Weiterentwicklung und als Schutz vor Jugendkriminalität. Die Hauptschulen müssen autonom über das Angebot und über die inhaltliche Gestaltung eines Nachmittagsprogramms entscheiden, so dass insbesondere sozialbenachteiligte Schüler angesprochen werden.

Vorschläge für ein Nachmittagsangebot zum Zuge der Stundenplanstreckung wären: Ein Schulhofprojekt (Kreativität und Verantwortung), die Cafeteria, eine Sport-AG (v.a. zur Integration, wie Basketball, Fussball, Breakdancing…), eine mit der Schulordnung fest vorhandene SMV mit eigenen Zuständigkeitsbereichen, Hausaufgabenbetreuung von älteren Mitschülern, Lerntische zu bestimmten Themen u.v.m.

Qualifizierte Lehrerausbildung/ angeglichene Besoldung

Lehrermangel: Für viele Lehramtsstudentinnen und –studenten ist die Arbeit an der Hauptschule unattraktiv geworden. Fachfremder Unterricht mit erhöhter Vorbereitungszeit in schwierigen Klassen mit steigender Unterrichtsverpflichtung und schlechter Bezahlung im Vergleich zu den weiterführenden Schularten machen mittelfristig die Gewinnung eines qualifizierten Nachwuchses für die Haupt-, gleichfalls wie für die Grundschulen immer schwerer. Deshalb müssen die Rahmenbedingungen dieser Lehrämter innerhalb der Sekundarstufe I in Besoldung und Arbeitszeit gleichgestellt werden.

Die Aufgaben von Hauptschullehrern entsprechen größtenteils denen aller in der Sekundarstufe I unterrichtenden. Zusätzlich werden vor allem diesen Lehrkräften im Studium als auch während der Berufsausübung vermehrt Kompetenzen aus der Sozial- und Sonderpädagogik abverlangt. Die Hauptschullehrer studieren als einzige Lehrergruppe während der Ausbildung erhebliche Anteile der Grundschuldidaktik. Diese Zusatzkompetenzen sind notwendig, aber ohne Qualitätsverluste in sechs Semestern kaum zu erlangen. Diese Praxiselemente sollen verstärkt in das Studium integriert werden. Zudem ist es nötig, mehr leistungsbezogene Elemente bei der Besoldung einzuführen.

Die neuen Aufgaben der Lehrer verlangen neue Fortbildungsschwerpunkte im pädagogischen wie medialen Bereich. Die zentrale Lehrerfortbildung ist durch eine regelmäßige schulinterne Lehrerfortbildung (SCHILF) zu verstärken. Hinzu kommt der praktische Teil: Nicht nur Schüler, sondern auch ihre Lehrer wirken oft abseits der handwerklichen Arbeitswelt. Deshalb müssen hier vermehrt Angebote mit einem Mix aus Theorie und Praxis vor Ort, aber auch auf höheren Ebenen geschaffen werden. Der Praktikumschwerpunkt sollte, um den Unterrichtsausfall so gering wie möglich zu halten, in die Ferienzeit gelegt und dort auch von den entsprechenden Institutionen angeboten werden.

Bedarfsgerechte Ausstattung

Praxisorientierte Lehrwege brauchen Werkstätten, Laboratorien, Gewächshäuser und so weiter. Hauptschulunterricht darf daher nicht allein nur Buchunterricht sein. Die Kommunen erhalten für diese Schulart (Ausnahme: Förder- und Sonderschulen, Oberstufe Klasse 11 bis 13) den höchsten Sachkostenbeitrag. Tatsächlich sind aber die Hauptschulen mit Fachräumen und Geräten im Vergleich zu den Realschulen und Gymnasien oft am schlechtesten ausgestattet. In Schulbaurichtlinien und in Vereinbarungen des Landes mit den kommunalen Spitzenverbänden sind deshalb entsprechende Regelungen zu treffen. Eine verstärkte Kooperation und Vernetzung mit anderen Einrichtungen und Partnern muss forciert werden.

Finanzierung:
Die Umstrukturierung der Hauptschule, die Verkleinerung der Klassen, die damit verbundene Einstellung von mehr Lehrern und Schul-Sozialpädagogen wird auf den ersten Blick finanzielle Mehraufwendungen nötig machen. Man sollte bei der Bewertung jedoch nicht den Präventiveffekt der oben geschilderten Maßnahmen in den Bereichen Jugendkriminalität, Arbeitslosigkeit, Rauschmittelkonsum, Integration von Ausländern und Sozialleistungsmissbrauch außer Acht lassen.

Weiterhin ist der Generationenvertrag nicht nur von unten nach oben zu erfüllen, sondern im Hinblick auf die Umstrukturierung in der Hauptschule auch von Alt zu Jung zu leisten (Unternehmen – Schüler). Deutschland als rohstoffarmes Land muss in die Köpfe aller Jugendlicher und nicht allein in die vermeintliche Oberstufen-Elite investieren. Der Hauptschulbereich ist in den vergangenen Jahren mehr als vernachlässigt worden und benötigt jetzt vermehrt Zuwendung. Der hohe Grund- und Hauptschüleranteil von rund 60 Prozent (siehe Anlage 2) an den Gesamtzahlen bekräftigt die Reformnotwendigkeit.

Zudem muss die Verbindung zwischen Schule und Wirtschaft im Sinne von Schulwerbung (in Elternbriefen, auf Schulfesten, im Computerraum etc.) und Drittmittelbeschaffung intensiviert werden. Mit dem zusätzlichen Geld können notwendige Anschaffungen in Bestand, Personal und Ausstattung zu einer beachtlichen Verbesserung der schulischen Ausbildung führen.

Die Stärkung der einzelnen Schule in ihren Kompetenzen, die eigenständige Budgetierung und Profilwahl werden des weiteren zu einer Effektivitäts-Steigerung im Unterricht, im Schulbetrieb und somit im Ausgabensektor beitragen.

Aufhebung des Glücksspielmonopols und Privatisierung der Glücksspielunternehmen in Baden-Württemberg

Die JUNGEN LIBERALEN Baden-Württemberg fordern die Landesregierung auf, sich für die Abschaffung des staatlichen Glücksspielmonopols einzusetzen. Die Abschaffung des Glücksspielmonopols macht den Weg frei für die Privatisierung weiterer Unternehmen. Die Anteile an folgenden Unternehmen sind dann zu veräußern:

  • Spielbank Stuttgart GmbH & Co. KG
  • Spielbank Stuttgart Managementgesellschaft mbH
  • Staatliche Toto-Lotto GmbH
  • Süddeutsche Klassenlotterie