Leben in der Digitalen Gesellschaft – Trau keinem Pirat, informier Dich!


Präambel

Kommunikation mittels digitaler Netze hat in den letzten Jahren eine neue Art von öffentlichem Raum geschaffen. Nicht nur Entfernungen, auch soziale Unterschiede rücken durch ihn zunehmend in den Hintergrund.

Die Digitalisierung der Gesellschaft verändert gesellschaftliche Prozesse und hinterfragt etablierte Wertvorstellungen. Hierin sehen wir Junge Liberale eine großartige Chance, diese Übereinkünfte – beispielsweise zum Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft, aber auch zur Rolle von Privatsphäre, Datenschutz oder geistigem Eigentum – abseits rein technischer Fragen vorurteilsfrei neu zu diskutieren und so überfällige Veränderungen anzustoßen.

Die technischen Innovationen der letzten Jahre sorgen jedoch, wie jede Veränderung, deren konkrete Auswirkungen auf den menschlichen Alltag noch unbekannt sind, in Teilen der Bevölkerung für Zurückhaltung, Misstrauen und Rückbesinnung auf etablierte Verhaltensmuster und Strukturen. Dieses Spannungsfeld begreifen wir als Chance, durch fortwährende sachliche Diskussionen den Freiheitsgedanken in der Gesellschaft zu stärken. Viele liberale Anliegen wie beispielsweise freier Zugang zu Informationen, Transparenz in der politischen Arbeit oder die einfache Möglichkeit, sich an gesellschaftlichen Debatten zu beteiligen, wurden durch die antiautoritäre Struktur des Internets bereits zu einem guten Stück verwirklicht. Fragen wie der diskriminierungsfreie Zugang zu digitalen Netzen, die Kanalisierung politischer Debatten in demokratische Entscheidungen oder die Rolle von Privatsphäre, Jugendschutz und geistigem Eigentum verlangen jedoch auch weiterhin nach politischen Antworten und damit liberaler Einflussnahme. Wir Junge Liberale wollen den Rechtsrahmen des neuen, digitalen gesellschaftlichen Zusammenlebens prägen!


Kapitel 1: Beziehungen zwischen Bürger und Staat

Die Beziehungen zwischen Staat und Bürger werden sich durch die Digitalisierung verändern. Aufgrund der im Internet jederzeit verfügbaren Informationen erstarkt das Bedürfnis der Menschen, sich aktiv an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen. Eine hohe Vernetzung ermöglicht spontane Massenbewegungen – Hierdurch steigt auch das Interesse der Bürger, sich am politischen Prozess insgesamt zu beteiligen. Diese Senkung von Hemmschwellen und Zugangsbeschränkungen für politisches Engagement können Liberale nur begrüßen. Mit zunehmender Politisierung wird derzeit jedoch auch wachsende Kritik am System der parlamentarischen Demokratie sichtbar.

Digitale Demokratie

Politische Partizipation außerhalb der Teilnahme an Wahlen ist heute leider noch ein Minderheitenphänomen. Demokratie bedeutet aber, Kompromisse in einem fairen Interessenausgleich aller gesellschaftlichen Gruppen zu finden – auch derjenigen, die sich über Wahlen hinaus nicht politisch engagieren wollen oder können. Deshalb stellen wir nicht die Systemfrage, sondern halten an der repräsentativen Demokratie fest und wollen sie – wo notwendig – reformieren. In direktdemokratischen Elementen sehen wir zudem die Chance, das politische Interesse der Bürger über sachliche Diskussionen mit dem System gewählter Volksvertreter zu versöhnen.

Alle staatlichen Institutionen müssen sich fortwährend öffnen. Dies bedeutet insbesondere mehr Transparenz von Behörden und Ministerien. Außerdem fordern wir die Veröffentlichung und digitale Zugänglichmachung aller vom Informationsfreiheitsgesetz betroffenen Dokumente. Weiterhin soll der parlamentarische Gesetzgebungsprozess auch für direktdemokratische Elemente geöffnet werden. Das Petitionsrecht wollen wir mittels der Einführung von Volksbegehren stärken. Außerdem fordern wir die Ausweitung und Erleichterung von Volksinitiativen und -Abstimmungen – auch über haushaltswirksame Fragen – auf allen politischen Ebenen und begrüßen demokratische Pilotprojekte wie z.B. mit Liquid Democracy-Systemen oder kommunale Bürgerhaushalte. Die Kommunalpolitik schafft zudem oft den direkten Bezugspunkt zum Alltag der Bürger, deshalb ist Transparenz hier besonders wichtig. So sollten Sitzungsunterlagen einfach digital zugänglich gemacht werden und Gemeinderatssitzung grundsätzlich ins Internet gestreamt und archiviert werden.

Politische Parteien stehen vor der Herausforderung, die steigende Politisierung der Menschen zu kanalisieren, um ein weiteres Auseinanderklaffen von Politik und Gesellschaft zu vermeiden! Deshalb fordern wir von der FDP die schnelle Einführung einfacher, niedrigschwelliger Partizipationsmöglichkeiten, auch themen- und kampagnenbezogen, die explizit auch Nicht-Parteimitgliedern offen stehen sollen. Darüber hinaus wollen wir uns in den anstehenden Strukturreformen der gesamten Partei für eine weitere Öffnung in Richtung innerorganisatorischer Transparenz einsetzen. Dazu gehören auch Vorwahlen von Spitzenkandidaten sowie Mitgliederbefragungen bei wichtigen politischen Entscheidungen. Eine Totalüberwachung auch innerparteilicher Arbeit, beispielsweise über verpflichtendes Streaming von Sitzungen ins Internet lehnen wir jedoch ab, da es die Handlungsfähigkeit der Parteien unverhältnismäßig beeinträchtigen würde.

Polizeiarbeit

Die meiste im Internet verübte Kriminalität ist keine spezifische digitale Kriminalität, gleichwohl verändern sich Gefahren durch Vernetzung und Digitalisierung. Polizeiarbeit unterliegt im Internet derzeit nur unzureichend konkreten Grundlagen. Für uns gilt deshalb: Ermittlungen im Internet dürfen nur im Rahmen der Rechte und Pflichten stattfinden, die Ermittlungsarbeit auch außerhalb des Internets begrenzen. Nur weil Daten einfacher verfügbar sind, darf der Rechtsweg zur Wahrung von Verhältnismäßigkeit und Missbrauchskontrolle nicht eingeschränkt werden! Für das Verhalten von Ermittlern im Internet gilt deshalb, dass grundsätzlich nur vollständig öffentliche Daten ohne neue rechtsstaatliche Hürden für Ermittlungen benutzt werden dürfen.

Damit gemeint ist beispielsweise das Einschleichen in „Freundeskreise“, geschlossene Mailinglisten oder andere Zirkel muss genauso wie verdeckte Ermittlungsarbeit im “alten“ öffentlichen Raum Hürden unterliegen. Dies gilt auch für Herausgabepflichten und freiwillige Kooperation von Dienstanbietern. Der private Vertrag mit einzelnen Betreibern kann für Ermittler kein Blankoscheck für Datensammlung sein! Wie bei Haus-, und Computerdurchsuchungen ist darauf zu achten, dass der Kernbereich privater Lebensführung unangetastet bleibt und die Ermittler die Eingriffe in die Grundrechte der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung und die Vertraulichkeit und Integrität technischer Systeme achten. Eine anlasslose Speicherung personenbezogener Daten lehnen wir deshalb sowohl durch die Polizeibehörden selbst als auch durch Auflagen für private Unternehmen ab. Die Bedeutung personenbezogener Daten gegenüber dem Staat wollen wir durch die ausdrückliche Aufnahme des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung in das Grundgesetz unterstreichen.

Sowohl bezogen auf klassische Ermittlungsarbeit als auch spezieller oder durch das Internet erleichterter Kriminalität wie dem Eindringen in Computersysteme, dem Abfangen von Datenverkehr aber auch der Verbreitung von Kinderpornographie besteht derzeit ein eklatanter Mangel an technischer Infrastruktur und entsprechender Qualifikation der Beamten. Dieser Missstand muss schnellstmöglich behoben werden. Im Rahmen der Verbrechensaufklärung muss es auch im Internet erlaubt sein, kriminelle Handlungen durch verdeckte Ermittlungen aufzudecken. Hierbei sollen Ermittlungsbehörden zur Aufklärung schwerer Straftaten auch so genannte Honeypots einrichten dürfen, also Lockangebote, um sich in kriminelle Kreise einzuschleichen. Mit deren Hilfe sollen sie in engen Grenzen und unter richterlicher Aufsicht auch selbst an Rechtsverletzungen teilnehmen dürfen. Die Einrichtung von Honeypots, um lediglich die hierdurch provozierte Straftat zu verfolgen, ist jedoch ausgeschlossen. Derartige Straftaten dürfen nicht sanktioniert werden, da Sie das Vertrauen in den Rechtsstaat und seine politische Institutionen untergraben.

Kriminelle Bedrohungen werden durch die steigende Vernetzung im Internet zunehmend zu einem globalen Phänomen. Die Polizeiarbeit muss deshalb nicht nur besser vernetzt sondern teilweise auch international zusammengelegt werden. Die Europol-Behörde soll deshalb, sobald eine effektive rechtsstaatliche Kontrolle durch starke europäische Institutionen möglich ist, eigene Polizeikompetenzen erhalten.

Whistleblowing/Aufdecken von illegalem Verhalten

Wie die zurückliegenden Debatten um die Plattform Wikileaks zeigen, kann Staatsführung innen- und außenpolitisch nur mit einem zeitlich begrenzten Recht auf Geheimhaltung funktionieren, um Sicherheit, Frieden und Freiheit der Bürger zu schützen. Deshalb gilt: Die Weitergabe geschützter Daten durch Amtsträger muss dienstrechtlich und ggf. strafrechtlich sanktionierbar sein. Nicht davon erfasst sein darf jedoch die Aufdeckung jedweden illegalen Verhaltens staatlicher Stellen. Es muss sichergestellt werden, dass die Enthüller von illegalem Verhalten im staatlichen Umfeld und Behörden unter keinen Umständen straf- oder dienstrechtlich belangt werden können soweit ihr Verhalten zur Aufdeckung dieses Verhaltens notwendig war und keine anderen Rechtsgüter betroffen sind. Die Beweislast für die Legitimität einer staatlichen Handlung muss in jedem Fall beim Staat liegen, eine Abstufung nach Schwere des Verhaltens darf nicht erfolgen.

Jugendschutz

Jugendschutz ist zuallererst Elternaufgabe. Kinder und Jugendliche können auch auf öffentlichen Straßen nicht vor schädigenden Einflüssen auf ihre Entwicklung vollständig bewahrt werden. Auch im Internet ist es aber hauptsächlich Aufgabe der Eltern, ihren Kindern ausreichend Medienkompetenz zur verantwortungsvollen Nutzung technischer Systeme zu vermitteln. Die Möglichkeiten der Eltern, schädigende Einflüsse auf ihre Kinder abzuwehren, sind im Internet ungleich höher, beispielsweise durch verantwortungsvolle Anleitung und Beaufsichtigung bis hin zur Nutzung technischer Filterprogramme. Der Staat hat aber einerseits einen ergänzenden Erziehungsauftrag dort, wo elterliche Fürsorge im Einzelfall versagt, und auch dort, wo diese strukturell nicht geleistet werden kann. Diesem Erziehungsauftrag kommt er in allererster Linie durch das Bildungswesen nach. Deshalb fordern wir die flächendeckende, umfassende Berücksichtigung von Medienkompetenz in allen Lehrplänen und allen Bildungsinstitutionen, im Besonderen auch umfassend im Bereich der Erwachsenenbildung. Die zu vermittelnden Inhalte beziehen sich als Querschnittsaufgabe sowohl auf die Einordnung von Informationen, den Umgang mit Journalismus und Nachrichten, aber auch auf das Verhalten in sozialen Netzwerken und Sexualaufklärung. Die Einführung eines eigenen Schulfachs „Internet“ lehnen wir deshalb ab.

Wir sehen die Anbieter entwicklungsschädigender und deshalb indizierter Inhalte trotzdem in der Pflicht. Sie müssen das ihrerseits Zumutbare zur Vermeidung eines Zugriffs von Minderjährigen auf ihre Medien leisten. Die heutigen, strikten Regelungen gehen jedoch weit über dieses zumutbare Maß hinaus, beispielsweise durch eine Indizierung oder eine umfassende Alterseinstufung mittels demokratisch unzureichend legitimierter „Fachgremien“. Die öffentliche Diskussion über wirkungslose Scheinlösungen wie z.B. bestimmter Zugangszeiten zu einzelnen Medien mittels des Jugendmedienschutzstaatsvertrags oder sogar gefährlicher Scheinlösungen wie Netzsperren tragen zu diesem wenig konstruktiven Klima zusätzlich bei.

Dieses behindert vielfach in erster Linie die Meinungsfreiheit, aber auch Wettbewerbsfähigkeit deutscher Medienanbieter. Gleichzeitig sind nationale Sonderwege durch den international regelungsresistenten Zugriff auf Informationen und Medien faktisch wirkungslos. Die Provokation einer neuen Debatte über den Jugendschutz sehen wir deshalb als Chance, den staatlichen Regelungsrahmen beispielsweise durch die Abschaffung aufwendiger Verfahren zur Zugangskontrolle von Internetseiten zurückzufahren und im Gegenzug wirksame elterliche Kontrolle einzufordern und zu ermöglichen sowie deutlich stärker als heute in Bildungseinrichtungen Medienkompetenz zu vermitteln. Restriktion von Inhalten ist vor allem Aufgabe des Empfängers, hierfür stehen heute schon wirksame Filterlösungen zur Verfügung. Im Zweifel muss sich die Rechtsordnung für die freiere Publikation von Medien entscheiden und hierfür größere Risiken in Kauf nehmen!


Kapitel 2: Beziehungen zwischen den Bürgern

Durch digitale Großkonzerne wie Facebook, Apple und Google, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen einen großen Einfluss auf unser Leben und Zusammenleben ausüben, entstehen gegenwärtig Monopole, die einseitige Machtverhältnisse begründen und sich nicht wie in anderen Branchen durch Wettbewerb oder kartellrechtliche Kontrolle beseitigen lassen. Eine blanke Stigmatisierung dieser Unternehmen lehnen wir jedoch ab. Dank Ihrer vielfach vollkommen kostenlos nutzbarer technischer Innovationen wurde der gesamten Weltbevölkerung in den vergangenen Jahren auf vielen gesellschaftlichen Ebenen ein großer zivilisatorischer Fortschritt ermöglicht. Wegen dieses Spannungsverhältnisses müssen Staatsaufgaben auch bezüglich der Beziehungen zwischen den Bürgern vielfach neu gedacht werden.

Verbraucherschutz

Grundsätzlich besteht kein Zwang zur Inanspruchnahme bestimmter Produkte oder Dienstleistungen. Im Rahmen gesetzlich garantierter Vertragsfreiheit können die Akteure deshalb weitgehend beliebige Verträge schließen. Gleichwohl gewinnt die Teilhabe am digitalen öffentlichen Raum auf gesellschaftlicher Ebene an Bedeutung und beginnt, eine zumindest in einigen Teilbereichen ähnlich grundlegende Bedeutung für unser Zusammenleben zu erhalten wie Arbeits- oder Wohnverhältnisse, deren privatrechtliche Gestaltung durch den Verbraucherschutz umfassend reglementiert wird.

Auf Ebene digitaler Produkte und Dienstleistungen fordern wir deshalb eine Stärkung dieses Verbraucherschutzes. Dies soll zunächst durch die Schaffung eines außergerichtlichen Schiedssystems geschehen, das es Verbraucherschutzorganisationen und Dienstanbietern ermöglicht, in gemeinsamen Verhandlungen einen privaten Ausgleich durch freiwillige Selbstverpflichtungen herzustellen. So sollen Verbraucherschutzorganisationen die Interessen der Nutzer bündeln und gemeinsam mit Dienstanbietern Regelungen aushandeln können, beispielsweise zum Datenschutz, wo diese aufgrund der großen Marktmacht einzelner Unternehmen über gesetzliche Vorgaben hinausgehen müssen. Diese Absprachen sollen auch gerichtlich kontrollierbar sein.

Datenschutz

Neue Auflagen fordern wir zudem bei der Datenspeicherung. So müssen personenbezogene Daten bei privaten Unternehmen unwiderruflich gelöscht werden können, sobald keine Vertragsbeziehung mehr besteht. Hierfür sind allenfalls aus technischen Gründen notwendige Übergangsfristen für Backups sowie aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften akzeptabel. Zudem müssen Unternehmen verpflichtet werden, jederzeit ein optimales Schutzniveau für alle personenbezogenen Daten zu gewährleisten. Datenklau und –missbrauch müssen mittels europaweit einheitlicher, hoher Standards für den Schutz von Netzwerken und Daten durch Verschlüsselung verhindert werden!

Für die Ausübung des schon heute verbrieften Auskunftsanspruchs über gespeicherte Daten fordern wir die Errichtung einer unabhängigen Stelle zwischen Verbraucher und Unternehmer, die die Identifikation und Legitimation zum Datenabruf überprüft und den Unternehmen nur die notwendigen Informationen zur Erfüllung dieses Auskunftsanspruchs zuleitet, um die Hemmschwelle der Nutzer zur Ausübung ihres Rechts zu senken. Zudem fordern wir die Zusammenlegung der Kompetenzen aller Datenschutzbehörden beim Bundesdatenschutzbeauftragten, um dessen Verhandlungsposition gegenüber den Dienstanbietern und seinen Einfluss in der öffentlichen Debatte zu stärken. Nur noch ausschließlich landesspezifische Sachverhalte sollen von unabhängigen Datenschutzbeauftragten in den Ländern behandelt werden.

Die Bedeutung von personenbezogenen Daten wollen wir zudem dadurch stärken, dass ähnlich wie für geistiges Eigentum ein Recht auf Daten mit persönlichem Bezug geschaffen wird, das gleichberechtigt neben anderen Eigentumsrechten steht. Hiermit wollen wir Hürden für Handel und Verwertung von personenbezogenen Daten schaffen. Der Verweis auf etwaige Urheberrechte an verwerteten, personenbezogenen Daten darf kein Argument gegen Auskunfts- oder Löschansprüche sein. Ein solches Recht wollen wir deshalb im Zuge einer umfassenden Reform des geistigen Eigentums europaweit einführen.

Anonymität und Privatsphäre

Grundsätzlich gilt: Jeder muss frei darüber entscheiden können, wie er mit seinen Daten und seiner Privatsphäre umgeht. Dies kann auch bedeuten, besonders viel von sich preiszugeben. Der extrem niedrigen Hemmschwelle zur Publikation von Informationen im Internet steht jedoch deren grundsätzliche weltweite Verfügbarkeit und die Gefahr dauerhafter Speicherung entgegen. Dieses Missverhältnis wird von vielen Nutzern derzeit nicht vollständig in ihr Verhalten im Internet einbezogen. Durch vorurteilsfreie Bildungsarbeit müssen Verbraucherschutz und der Staat durch das Bildungswesen jedoch die Grundlagen schaffen, dass diese Entscheidungen verantwortungsvoll gefällt werden können und sich so ein Bewusstsein über die Rolle eigener Verantwortung in der digitalen Welt entwickelt. Für den restlichen Rechtsrahmen darf ausschließlich maximale Anonymität und Privatsphäre Richtschnur sein. Es muss möglich sein, sich anonym im Internet zu bewegen! Forderungen nach einer Klarnamen- oder Ausweispflicht im Internet lehnen wir nachdrücklich ab. Ebenso fordern wir, dass Geldgeschäfte im Internet auch künftig, beispielsweise mit Prepaid-Karten, anonym abgewickelt werden können. Auch im Supermarkt herrscht kein Zwang zur Preisgabe persönlicher Daten. Verkäufer und Dienstleister, die ihre Dienstleistungen einem breiten Personenkreis anbieten, haben deshalb über die für die Erfüllung ihrer vertraglichen Leistungspflicht notwendigen Daten hinaus weder ein Interesse noch ein Recht auf personenbezogene Daten des Kunden.

Geistiges Eigentum

Durch die einfache Verfügbarkeit aller Arten von Medien steht die künstliche Konstruktion „geistigen Eigentums“ seit Beginn der Digitalisierung im Zentrum einer hitzigen gesellschaftlichen Debatte. Leistungen und Ideen auch immaterieller Art temporär unter den Schutz der Rechtsordnung zu stellen hat sich in der Vergangenheit als Innovations- und Wachstumsmotor bewiesen: Sowohl die Beschaffung von Kapital für aufwendige Forschungs- und Kreativarbeit als auch die eigene Motivation, sein Leben kulturellen oder wissenschaftlichen Zwecken zu widmen, hängt entscheidend von der Schützbarkeit der Ergebnisse seiner Leistungen ab.

Die Regelungen für geistiges Eigentum haben sich in der Vergangenheit jedoch als äußerst unflexibel erwiesen. Deshalb fordern wir eine europaweite Reform des geistigen Eigentums mit der Schaffung von Standards für mehrere, abgestufte Lizenztypen.Diese sollen ausgehend von der vollständigen Exklusivität als Regelfall über verschiedene Creative-Commons-Lizenzen bis hin zur vollständigen Aufgabe aller exklusiven Nutzungsrechte eine einheitliche und unwiderrufliche Kennzeichnung immaterieller Güter und deren zweifelsfreie Handhabung ermöglichen. Diese Regelung soll Rechtssicherheit schaffen, die in den vergangenen Jahren durch Entwicklung einer Vielzahl an Lizenztypen verloren gegangen ist. Eine allgemeine Kulturflatrate lehnen wir jedoch ab, da diese einerseits in technischer Hinsicht exzessive Bürokratie notwendig machen würde, andererseits aber auch einen funktionierenden Marktmechanismus einseitig zugunsten der Konsumenten oder staatlicher Institutionen aushebelt.

Verfolgung von Verstößen

Abgekoppelt von der Frage des materiellen Urheberrechtsschutzes steht jedoch die Frage der Verfolgung von Verstößen hiergegen. Für uns gilt: Es besteht ein Unterschied zwischen dem Diebstahl physischer, nicht reproduzierbarer Gegenstände und der unbefugten Vervielfältigung von Daten. Diese Unterscheidung drückt sich bereits heute z.B. im Strafrecht aus!

Rechteinhaber müssen Verstöße gegen ihre Schutzrechte einfach unterbinden können. Hierfür steht zunächst das Zivilrecht mit Abmahnungen und der Aufforderung zur Abgabe von Unterlassungserklärungen zur Verfügung. Derzeit werden viele in diesem Zusammenhang stehende Fragen durch teilweise widersprüchliche Rechtsprechung geregelt. Zudem hat sich in den vergangenen Jahren ein grauer Markt entwickelt, in dem Verwertungsagenturen und Anwälte an der Grenze zum Rechtsmissbrauch agieren. Wir fordern deshalb ein einfach verständliches, nachvollziehbares und verhältnismäßiges System, das die einfache Ermittlung von Streitwerten, stark begrenzte Abmahnungskosten und umfassende Bagatellgrenzen beinhaltet. Es muss in jedem Fall sichergestellt werden, dass diese zivilrechtlichen Maßnahmen innerhalb eines sauberen rechtsstaatlichen Prozesses unter Aufsicht der Justiz erfolgen! Einen direkten Durchgriff der Rechteinhaber auf potenzielle Rechtsverletzer ohne faires Verfahren lehnen wir ab. Ebenso sprechen wir uns gegen eine Vermischung von Straf- und Zivilrecht z.B. durch die Schaffung eines Strafschadensersatzes oder 3-Strikes-Regelungen zur Sperrung von Internetanschlüssen aus.

Störerhaftung

Betreiber von interaktiven Internetangeboten wie Foren oder Blogs sollen für von anderen Nutzern eingestellte Inhalte erst ab der zweifelsfreien Kenntnis der Rechtswidrigkeit, beispielsweise ab einem Hinweis auf andere betroffene Rechtsgüter, haften. Dies muss eindeutig gesetzlich normiert werden. Eine Haftung von Internetdienstanbietern für den Internetverkehr ihrer Kunden ist für uns zudem ausgeschlossen.

DRM-Systeme

Die technische Möglichkeit von Kopierschutz-Systemen (DRM-Systeme) schafft die Notwendigkeit einer verbraucherschutzpolitischen Kontrolle. Insbesondere der Bindung von Verbrauchern an bestimmte Hardware-Hersteller soll zunächst durch die Schaffung europa- bzw. weltweiter Standards entgegengewirkt werden, im Rahmen einer Reform des materiellen Rechts am geistigen Eigentum muss zudem die Zulässigkeit von DRM-System bei der Lizenztypisierung berücksichtigt werden. Des Weiteren muss der Weiterverkauf von privat genutzter Endverbrauchersoftware stets gewährleistet sein – auch, wenn diese an Benutzerkonten oder ähnliches gebunden ist.

Urheberrechte und Bildung

Gesellschaftlicher Fortschritt hängt nicht nur von der Schützbarkeit geistiger Errungenschaften, sondern auch entscheidend von einem leistungsfähigen Bildungswesen ab. Die Notwendigkeit, für seine Leistungen entlohnt zu werden, wollen wir mit diesem wichtigen Ziel deshalb über die Einführung einer Kulturflatrate für Schulen, Hochschulen und gleichwertige Bildungseinrichtungen in Einklang bringen. Vorrang genießen für uns hierbei private Absprachen und Verhandlungen der jeweiligen Träger mit den Rechteinhabern. Die heutigen Bemühungen insbesondere der Universitäten stoßen jedoch aufgrund mangelnder Verhandlungsbereitschaft der Rechteinhaber bereits auf niedrigem Niveau an Grenzen. Eine Kulturflatrate soll deshalb notfalls verpflichtend eingeführt werden. Zudem soll den Hochschulen und Bibliotheken ermöglicht werden ihre Nachfrage zu koordinieren und gemeinsam Lizenzen zu erwerben. Die hierfür notwendige Bürokratie und der Eingriff in Marktmechanismen sind aufgrund der geringen Anzahl potenzieller Nutzer weit geringer als im restlichen Urheberrechtsbereich und deshalb verhältnismäßig.

Besondere Relevanz erhält geistiges Eigentum zudem im Bereich staatlicher Bildung und Forschung. So werden beispielsweise an staatlichen Universitäten erstellte Lernmaterialien und Forschungsergebnisse zum überwiegenden Teil aus Steuermitteln finanziert. Abseits weniger durch fremde Leistungsschutzrechte geschützter Inhalte entstehen die meisten dieser Daten und Medien ausschließlich im internen Hochschulbetrieb an zumindest überwiegend staatlich finanzierten Lehrstühlen. Trotzdem stehen Sie meist nur den Studenten der jeweils aktuellen Lehrveranstaltung bzw. den beteiligten Forschern zur Verfügung.

Hochschulen sind einem allgemeinen Bildungsideal verpflichtet. Im Rahmen ihrer von der Allgemeinheit finanzierten Arbeit müssen deshalb alle zumutbaren Anstrengungen unternommen werden, Leistungen, von denen nicht ausschließlich die derzeit immatrikulierten Studenten oder beteiligten Forscher Gebrauch machen können, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Alle Begleitmaterialien zu Vorlesungen, Arbeitsgemeinschaften, Seminaren und sonstigen Lehrveranstaltungen müssen deshalb frei zugänglich im Internet und in zumutbarer Weise auf allen sonstigen Wegen verfügbar sein. Hiervon ausgenommen sind lediglich die Teile der Materialien, die durch außeruniversitäre Leistungsschutzrechte geschützt sind, sowie aus didaktischen oder prüfungsrechtlichen Gründen bezogen auf ihre Veröffentlichung unabdingbar mit zeitlicher Restriktion verbundene Materialien (z.B. Klausuren, Probeklausuren und deren Lösungen). Lehrstühle sollen Nutzungsrechte an Forschungsergebnissen nur für sehr kurze Zeit, zum Beispiel für ein Jahr, abtreten können, um Drittmittel akquirieren oder Veröffentlichungen sicherstellen zu können. Universitätsbibliotheken sollen zudem im Rahmen des geltenden Urheberrechts alle Anstrengungen unternehmen, ihren Bestand zu digitalisieren und zugänglich zu machen. Wünschenswert ist für uns auch das Streaming und ggf. die Archivierung aller frontalen Lehrveranstaltungen mindestens für die Studenten des entsprechenden Studiengangs.


Kapitel 3: Teilhabe an der Digitalen Gesellschaft: Zurück auf Los!

Die durch die Digitalisierung der Gesellschaft neu geschaffene Kommunikationswelt ist eine großartige Chance, Grenzen und Barrieren zwischen Menschen und ganzen Völkern aufzuheben. Gleichzeitig lässt Sie jedoch auch neue Barrieren zu denjenigen entstehen, die nicht an ihr teilhaben wollen oder können. Zunächst muss deshalb der Ausbau der Breitbandversorgung und der diskriminierungsfreie Zugang zu Ihnen durch das staatliche Gebot der Netzneutralität und der staatlichen Förderung des Netzausbaus vorangetrieben werden. Wir begrüßen zudem Initiativen, die Internetzugang im öffentlichen Raum möglich machen, beispielsweise im Nahverkehr oder in Bahnhöfen. Länder wie Estland zeigen, dass mit zumutbarem technischem Aufwand eine nahezu flächendeckende kostenlose WLAN-Versorgung möglich ist!

Die den Digitalisierungsprozess begleitenden Debatten werden derzeit häufig von technischen Fragen verdrängt. Wir Junge Liberale wollen jedoch eine Debatte über Werte führen. Wir nehmen die Herausforderung an, als politische interessierte junge Menschen die Diskussionen über die gesellschaftlichen Folgen zunehmender Vernetzung in politische Konsequenzen zu formulieren. Gemeinsam mit der gesamten Gesellschaft, auch mit denjenigen, die sich nicht an digitaler Kommunikation beteiligen, wollen wir deshalb vorurteilsfrei Werte und Übereinkünfte neu diskutieren – und so überfällige Veränderungen anstoßen.

Parlamentarische Kontrolle bei Rüstungsexporten stärken

Die Jungen Liberalen fordern den Bundestag und die Bundesregierung dazu auf, durch entsprechende Verfahrensänderung in Gesetz und ggf. Verfassung die parlamentarischen Kontrollrechte bei Rüstungsexporten zu stärken. Insbesondere muss die parlamentarische Kontrolle rechtzeitig vor einem Export erfolgen und nicht erst nachträglich im Rahmen der Diskussion des Rüstungskontrollberichtes, wenn sich die Rüstungsgüter meist schon im Bestimmungsland befinden.

Sollte es tatsächlich Bedarf an einer umfassenden Geheimhaltung bei bestimmten Rüstungsexporten geben, so ist auch an einen Parlamentsausschuss ähnlich dem parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages für verdeckte Einsätze oder Geheimdienste oder dem Ausschuss für Rüstungskontrolle des House of Commons zu denken, welche unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen.

Schultrojaner stoppen!

Die Jungen Liberalen Baden-Württemberg betrachten den Anfang des Jahres von den Kultusministern der Länder mit den Schulbuchverlagen geschlossenen „Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG“ mit großer Sorge. Wir lehnen die darin enthaltene Durchsuchung von Schulcomputern durch Plagiatssoftware der Schulbuchverlage ab und fordern die baden-württembergische Landesregierung auf, umfassend über den Einsatz des sogenannten „Schultrojaners“ zu informieren und Stellung zu nehmen.

Sonderrechte für kirchliche Arbeitgeber abschaffen

Die christlichen Kirchen genießen als große Arbeitgeber in Deutschland weitreichende Erleichterungen im Vergleich zu weltlichen Arbeitgebern. Dies verstößt gegen liberale Grund- und Gerechtigkeitsprinzipien. Wir Junge Liberale fordern deshalb eine Anpassung der Verfassung, um die Privilegien der Kirchen zu beseitigen.

Daher fordern die Jungen Liberalen die folgenden Punkte:

  • Ausweitung der Geltungsbereiche von Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsgesetz auf kirchliche Einrichtungen: Aktuell werden kirchliche Einrichtungen explizit von den Regelungen dieser Gesetze zum Schutz von Arbeitnehmern ausgenommen. Es dürfen daher beispielsweise bei kirchlichen Arbeitgebern keine Betriebsräte gegründet werden.
  • Abschaffung der Sonderregelungen für Kirchen im Tarifvertragsrecht: Kirchen haben sich mit dem sogenannten „Dritten Weg“ ein eigenständiges kollektives Arbeitsrecht geschaffen, das abweichende Regelungen vom regulären Tarifvertragsrecht ermöglicht. Diese Regelungen können durch kirchliche Gremien festgelegt werden.
  • Streikrecht der Angestellten von kirchlichen Einrichtungen: Durch den von den Kirchen geschaffenen „Dritten Weg“ ist das Streikrecht für Angestellte strittig, bzw. teilweise haben Gerichte der Gewerkschaft Ver.di Streikaufrufe untersagt. Dieses Recht gilt es hier klar einzuräumen und durchzusetzen.

Für einen konsequenten Umgang mit Ungarn – damit Europa Wertegemeinschaft bleibt!


Einleitung

Die Jungen Liberalen beobachten die politischen Verhältnisse und Entwicklungen in Ungarn mit großer Sorge. Die neue rechtspopulistische Regierung, die über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügt, hat binnen kürzester Zeit eine neue Verfassung verabschiedet. Diese droht bei entsprechender Umsetzung demokratische Strukturen zu unterminieren. Ebenso ist in Ungarn ein Mediengesetz in Kraft getreten, welches eine indirekte Zensur ermöglicht und nach unserer Ansicht die europäische Grundrechtecharta verletzt. Dies sind Entwicklungen, die wir nicht nur als Liberale und Demokraten, sondern auch als überzeugte Europäer nicht dulden können und wollen. Die EU muss hier klar für die Grundrechtecharta eintreten und mit einer Stimme sprechen, damit dieses Vorgehen keine Chance hat.


Das Mediengesetz

Anfang des Jahres trat ein neues Mediengesetz in Ungarn in Kraft, dessen Hauptbestandteil eine zentrale Behörde für alle Medien ist, von der sämtliche öffentlich-rechtlichen Medienanstalten organisatorisch und finanziell abhängig sind und die alle privaten Medien nach eigens aufgestellten Regelungen kontrolliert. Funktionäre der Behörde werden von der Regierung auf 9 Jahre ernannt. Im Zuge der darauf folgenden Debatte innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten um das Gesetz, besserte Ungarn es nach, um die EU-Medienrichtlinien, wie von der Kommission gefordert, einzuhalten. Die Jungen Liberalen betrachten diese Nachbesserungen allerdings nicht als ausreichend. Die Kernpunkte des Gesetzes bestehen noch immer, konkrete Formulierungen wurden durch beliebig dehnbare Termini ersetzt. Ein solches Gesetz ist eine Schande für die Europäische Union. Bisher hat sich die Europäische Kommission unter Berufung auf die EU-Medienrichtlinien jedoch geweigert, die europäische Grundrechtecharta als Grundlage für ein Vertragsverletzungsverfahren heranzuziehen. Die Kommission hat es versäumt, sich glaubwürdig und konsequent für Pressefreiheit einzusetzen. Wir kritisieren ihre geringen Anforderungen und das schnelle Nachgeben zutiefst. Die Kommission wird ihrer Rolle als Hüterin der Verträge nicht gerecht. Die Jungen Liberalen erwarten eine erneute Prüfung des Mediengesetzes auf Grundlage der EU-Grundrechtecharta und eine kritischere Kommission, die Verstöße gegen die Grundrechtecharta effektiv ahndet und auch vor einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof nicht aus diplomatischen Gründen zurückschreckt.


Die Verfassung

Besonders besorgt sehen die Jungen Liberalen die neue ungarische Verfassung, die zum 1. Januar 2012 in Kraft treten soll. Nicht nur wurde die mit „Nationales Glaubensbekenntnis“ betitelte Präambel, zur Auslegungsgrundlage der gesamten Verfassung erklärt, auch ist die Verfassung so geschrieben, dass sie der Regierung Orbán als Instrument der Machterhaltung dienen und demokratische Strukturen untergraben kann. So sollen entscheidende Politikbereiche künftig durch „Kardinalgesetze“ geregelt werden, die nur durch eine Zweidrittelmehrheit geändert werden können. Politikwechsel können in Zukunft nur noch mit einer Zweidrittelmehrheit vonstatten gehen, womit der Wählerwille hintergangen werden könnte. Die aktuelle Regierung hat für den Fall, die Mehrheit zu verlieren, ihre Politik in Stein gemeißelt. Ebenso wurden die Befugnisse des ungarischen Verfassungsgerichts in Finanzfragen auf einen Budgetrat übertragen, der vom ungarischen Präsidenten ernannt wird. Dieser Budgetrat kann jeden vom Parlament verabschiedeten Haushalt zurückweisen, was dem Präsidenten die Möglichkeit eröffnet, das Parlament aufzulösen, wenn es keinen Haushalt verabschiedet. Die Jungen Liberalen erachten Teile der neuen Verfassung Ungarns als eine Abkehr von europäischen Grundwerten und als einen Angriff auf die demokratische Ordnung insgesamt Wir fordern die Europäische Kommission auf, an ihrer Ankündigung festzuhalten, eine Umsetzung entsprechender Regelungen in legislative Praxis nicht zu dulden. Wir fordern das Europäische Parlament auf, eine Resolution gegen die Gesetzgebung der Fidesz zu verabschieden, in der es große Bedenken gegen die neue Verfassung zum Ausdruck bringt. Wir fordern die Fraktion der EVP im Europäischen Parlament auf, die Vollmitgliedschaft der Fidesz kritisch zu hinterfragen. Gerade die Gruppe der CDU/CSU-Abgeordneten sollten sich eindeutig kritisch positionieren. Hinsichtlich des offensichtlichen Gefährdungspotenzials sollte die Kommission auch weiter Bedenken gegenüber der ungarischen Regierung klar zum Ausdruck bringen und diese Regelungen kritisch zu überprüfen. Zusätzlich fordern wir die Europäische Kommission auf, die Budgetregelungen der ungarischen Verfassung vor dem Europäischen Gerichtshof einer umfassenden Prüfung unterziehen zu lassen


Der Umgang mit Ungarn in der Zukunft

Im Rahmen der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft wurde eine besondere Aufmerksamkeit auf das Land gelenkt, innerhalb derer das Mediengesetz und die neue Verfassung auf Kritik gestoßen sind. Die Jungen Liberalen warnen eindrücklich davor, die politischen Entwicklungen in Ungarn aus den Augen zu verlieren. Weitere unrechtsstaatliche Regelungen, etwa Lockerungen des Rechtsschutzes der Bürger, sind bereits in Arbeit. Nur eine starke Europäische Union, die jede einzelne Vertragsverletzung ahndet, kann die Regierung Orbán zur Vernunft bringen. Vor dem Einleiten und konsequenten Umsetzen von Vertragsverletzungsverfahren, inklusive dem Stimmrechtsentzug im Europäischen Rat als letzte Ahndungsmöglichkeit, darf die Europäische Kommission nicht zurückschrecken. Auch einen zeitweiligen Ausschluss Ungarns halten wir für möglich.


Allgemeine Schlussfolgerungen

Für die Jungen Liberalen hat ein geeintes Europa, in dem jeder Mitgliedsstaat Verantwortung übernimmt für sich und die gesamte Europäische Union, oberste Priorität. Gerade weil wir ein vereintes Europa als Wirtschafts- und Wertegemeinschaft wollen, sollte verstärkt Kritik an negativen, politischen Entwicklungen in EU-Mitgliedsstaaten geäußert werden dürfen. Sollte sich folglich ein Mitgliedsstaat geltenden Regeln und Richtlinien der EU widersetzen oder versuchen sie zu umgehen, so ist es Aufgabe der Kommission stärker durchzugreifen und die Europäische Wirtschafts- und Wertegemeinschaft zu schützen. Ungarn ist auf dem besten Wege sich von europäischen Werten abzusondern. Dies dürfen wir nicht dulden. Wirtschafts- und Wertegemeinschaft sollten Hand in Hand gehen. Kein europäischer Staat kann sich von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verabschieden, gleichzeitig jedoch vom gemeinsamen europäischen Binnenmarkt profitieren. Diesbezüglich mahnen die Jungen Liberalen die Europäische Union, den Anspruch an die Erfüllung der Beitrittskriterien nicht ausschließlich zum Zeitpunkt des Beitritts, sondern zu jedem Zeitpunkt der Mitgliedschaft eines Landes in der Europäischen Union einzufordern. Alles andere wird zwangsläufig zur Aushöhlung des Systems der EU führen. Eine Mitgliedschaft in der EU bedingt eine Selbstverpflichtung zum europäischen Wertekanon.

Preisbindungen abschaffen

Die Jungen Liberalen Baden-Württemberg fordern:

  • die Abschaffung der Buchpreisbindung (Buchpreisbindungsgesetz)
  • die Abschaffung der Tabakpreisbindung (im Tabaksteuergesetz)
  • die Abschaffung der Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente
  • die Abschaffung der Preisbindung für Beförderungsentgelte bei betroffenen Taxifahrten

Nein zum Kündigungsgesetz!

Die Jungen Liberalen Baden-Württemberg lehnen das „Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21“ ab und unterstützen daher ein „Nein zum Kündigungsgesetz“ beim Volksentscheid am 27. November 2011.

Bürgerbeteiligung durch Volksentscheide und andere plebiszitäre Elemente können wir Julis nur begrüßen, die Landesregierung muss diese fortwährend erleichtern. Die Diskussion über Stuttgart 21 wird jedoch schon lange nicht mehr über die Neubaustrecke, den neuen Tiefbahnhof oder die Neugestaltung der Stuttgarter Innenstadt geführt, wofür Vertreter beider Seiten aber auch Teile der heutigen Landesregierung Verantwortung tragen. Um eine abgewogene Entscheidung auf Grundlage einer sachlichen Debatte zu ermöglichen, fordern wir deshalb zunächst die Offenlegung der Ausstiegskosten durch die Bahn. Diese sollen auf Grundlage eines transparenten Verfahrens ermittelt werden.

Stuttgart 21 ist auf breiter Ebene demokratisch legitimiert und rechtlich bereits mit umfangreichen Verpflichtungen, auch von Seiten der Landesregierung, verbunden. Den möglicherweise verfassungswidrig zustande gekommenen Volksentscheid über kollektiven Rechtsbruch halten wir deshalb grundsätzlich für verfehlt – auch deshalb, weil sein Einfluss auf die Befriedung der Debatte nicht das halten kann, was die Landesregierung verspricht.

Trotzdem wollen wir in der öffentlichen Debatte mit einem kraftvollen Bekenntnis zum Projekt Stuttgart 21 mithelfen, die bereits heute in der Bevölkerung vorhandene Mehrheit für das Projekt über den Volksentscheid für die Landesregierung hörbar zu machen. Ein „Nein“ zum Kündigungsgesetz muss unter allen Umständen von der Landesregierung als Schlusspunkt der von ihr erneut angestoßenen Debatte akzeptiert werden und einen Befriedungsprozess bei den Gegnern des Bahnprojekte einläuten.