02.04.2011

Die neue FDP – glaubwürdig, basisdemokratisch, liberal

Nach 15 Jahren Regierungsbeteiligung hat die FDP Baden-Württemberg bei der Landtagswahl mit 5,3% ihr historisch schlechtestes Ergebnis erreicht und hätte fast den Einzug in den Landtag verpasst. Wir fordern eine ehrliche Fehleranalyse und ernsthafte Konsequenzen, damit sich dieses Ergebnis nicht wiederholt. Die FDP muss verlorenes Vertrauen zurückgewinnen, ein „Weiter so“ darf es nicht geben.


Woran lag es?

Die aktuelle Kernkraftdiskussion und die Äußerungen von Rainer Brüderle haben für einen starken Dämpfer gesorgt, allein daran lag es aber nicht. Das zeigen frühere Stimmungsumfragen und Briefwahlergebnisse.

Die FDP hat ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. 85% der Wähler glauben uns nicht, dass wir vor der Wahl ehrlich sagen, was wir nach der Wahl umsetzen. Vorsichtige Kompromisse in der schwarz-gelben Bundeskoalition haben nicht die Erwartungen der Wähler in uns erfüllt, die wir in einem polarisierten Wahlkampf geweckt haben. Der schnelle Richtungswechsel in der Energiepolitik wurde als reines Wahlkampfmanöver wahrgenommen. Im Land stehen faule Kompromisse mit der CDU bei Bürgerrechten und Gleichstellungspolitik im Gegensatz zu einem stark liberalen Wahlprogramm zur Landtagswahl. Die große Distanz zwischen Fraktion und Partei hat dazu beigetragen.

Ein eigenständiges inhaltliches Profil der Liberalen wurde durch den starken Kuschelkurs mit der CDU im Land nicht erreicht. Die FDP/DVP Landtagsfraktion war meist kaum von der CDU zu unterscheiden. Bei Stuttgart 21 hat die FDP faktisch nicht stattgefunden, obwohl es dazu eine eindeutige Position gab . Der kritiklose Rückkauf der EnBW-Anteile durch das Land hat auch letzte ordnungs-, haushalts- und verfassungspolitische Hoffnungen in die baden-württembergische FDP enttäuscht. Wenn kaum ein interessierter Wähler erkennen kann, an welcher Stelle die FDP einen Unterschied macht, wird aus Koalitionsdisziplin eine berechtigte Bedeutungslosigkeit für kommende Wahlen.In der gesamten Legislaturperiode konnte die FDP-Fraktion kein einziges großes Thema setzen, mit dem sie exklusiv verbunden wurde.

Besonders bedenklich ist aus unserer Sicht der massive Verlust an Wählern unter 35 Jahre. Nur eine Partei, die junge Wähler begeistern und mobilisieren kann, hat selbst eine Zukunft.


Was ist zu tun?

Die FDP braucht einen Neustart, um das Vertrauen der Wähler und ihrer eigenen Parteibasis zurückzugewinnen. Ein glaubwürdiges inhaltliches Profil kann nur durch glaubwürdige Personen vertreten werden. Ein echter Neuanfang setzt also ein Führungspersonal voraus, das für Veränderungen bereit ist. Keine andere Person ist in der öffentlichen Wahrnehmung so eng mit verlorener Glaubwürdigkeit und thematischer Verengung verbunden wie Guido Westerwelle. Die Chance auf einen Neuanfang hat er durch eine andauernde Kritikunfähigkeit verspielt. Die Zeit des plumpen „Wir haben verstanden“ ist endgültig vorbei. Als Parteivorsitzender wird Guido Westerwelle der FDP nicht aus ihrer Vertrauenskrise heraushelfen können. Die Mitglieder und Funktionsträger an der Basis verweigern wegen seiner Person zunehmend die Mitarbeit, ziehen sich zurück oder treten aus. Ohne eine breite, aktive und motivierte Basis hat unsere Partei aber keine Zukunft. Wir fordern, dass er beim kommenden Bundesparteitag auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Gleiches erwarten wir von seinen Stellvertretern, die es seit Beginn der Koalition nicht geschafft haben, an einem positiven Außenbild der FDP mitzuwirken. Insbesondere ist hier auch die FDP-Bundestagsfraktion in der Pflicht liberale Inhalte in der Koalition um- und durchzusetzen. Erfolge müssen besser auch außen dargestellt und Reformen angegangen werden. Es muss ein inhaltliches Konzept geben, welches in dieser Legislatur noch umgesetzt werden soll. Rainer Brüderle, der als zuständiger Minister im Technologiebereich die katastrophale Kommunikationslinie in der Kernkraftdiskussion zu vertreten hat, muss als Bundeswirtschaftsminister zurücktreten.

Auch im Land ist ein echter Neustart nur möglich, wenn die personelle Führung das volle Vertrauen der Partei genießt. Der gesamte Landesvorstand muss sich das Vertrauen der Parteibasis nach dem Wahldebakel neu erarbeiten. Wir fordern daher alle Mitglieder des Landesvorstands auf, sich einer vorgezogenen Neuwahl beim außerordentlichen Landesparteitag zu stellen. Das Präsidium der Partei muss sich künftig deutlich offensiver zu landespolitischen Themen äußern und muss diese auch gezielt in den Medien platzieren, um der Partei ein wahrnehmbares inhaltliches Profil zu geben.

Wir begrüßen den geplanten außerordentlichen Landesparteitag und den Einsatz eines Generalsekretärs ausdrücklich. Seine Aufgabe wird neben dem offensiven Einsatz für liberale Grundsätze die Vorbereitung kreativer Kampagnen sein, um Grün-Rot und dem konservativen Konkurrenten in der Opposition eine gute Alternative zu bieten. Dies muss geschehen, ohne sich in einen erneuten Lagerwahlkampf zu verlieren gegen alles, was aus der Regierung kommt. Als ersten Schritt setzt das eine enge Abstimmung zwischen Partei und Fraktion voraus. Frühere Verhandlungsergebnisse mit der CDU dürfen nicht als eigene Programmatik verstanden und verkauft werden. Ziel ist ein eigenständiges Profil, das künftig grundsätzlich alle Koalitionsoptionen mit demokratischen Parteien offen lässt. Wir fordern ein Ende einseitiger Lagerwahlkämpfe, bestehende Schnittmengen auch mit anderen Parteien müssen stärker kommuniziert werden. So kann die FDP beispielsweise gemeinsam mit Grünen und SPD eine Reform des Landtagswahlrechts anstoßen und so ohne Regierungsbeteiligung wesentlich Punkte ihres Wahlprogramms umsetzen. Hier ist auch grundsätzlich die Fraktion im Landtag gefordert, stärker als bisher liberale Positionen zu entwickeln und deutlich zu vertreten.

Ein echter Neuanfang setzt aber die Beteiligung der Parteibasis voraus. Zu lange wurden inhaltliche Entscheidungen aus taktischen Motiven „von oben“ gesteuert. Das Führungspersonal muss mehr Bereitschaft zu kontroversen Diskussionen entwickeln und Fehler offen benennen, die Parteibasis ein neues Selbstverständnis und die Bereitschaft, sich einzumischen. Um die programmatische Arbeit innerhalb der FDP voranzubringen, fordern wir die Einführung eines regulären zweiten FDP-LPT im Herbst jeden Jahres. Der Sonderparteitag soll durch eine breite Diskussion und Beteiligung der Basis zur künftigen inhaltlichen und strategischen Ausrichtung der Partei vorbereitet werden. Auf diesem Parteitag soll ein konkreter Antrag beschlossen werden, der diese Diskussionen und ihre Folgen bündelt. Den Einstieg in parteipolitische Arbeit wollen wir erleichtern und neue Formen innerparteilicher Demokratie (z.B. „liquid feedback“) wagen. Über den künftigen Kurs der Partei zur Kernenergie soll eine Mitgliederbefragung entscheiden. Für den Landesvorsitz und zur Nominierung von Spitzenkandidaten zur Landtags- und Bundestagswahl sollen Urabstimmungen eingeführt werden. Einen strategischen Schwerpunkt soll die FDP auf den Ausbau der kommunalen Ebene legen.

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