30.04.2000

Migration, Einwanderung und Asyl

Im Zuge internationaler Migration bestimmt die Zuwanderung seit mehr als 50 Jahren den Alltag in Deutschland. Deutschland ist längst ein Einwanderungsland geworden, auch wenn dies juristisch noch immer geleugnet wird. Die Jungen Liberalen Baden-Württemberg treten für eine weltoffene Bürgergesellschaft ein, die Verantwortung für politisch Verfolgte, Wirtschaftsflüchtlinge und Umweltflüchtlinge übernimmt und Menschen ungeachtet ihrer Herkunft integriert.


Staatsangehörigkeitsrecht

Die Jungen Liberalen sprechen sich für die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft aus. Der von SPD, Grünen und F.D.P. gefundene Optionsmodell-Kompromiss sieht vor, dass jeder junge in Deutschland geborene Bürger, dessen Eltern nicht deutsche Staatsangehörige sind, neben seiner ausländischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit erhält. Allerdings muss er sich spätestens mit 25 Jahren für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Dieser gefundene Kompromiss ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, wirft aber große Probleme auf. Wenn die Doppelstaatsbürger sich entscheiden müssen, stehen sie oft vor einem Gewissenskonflikt, der eine Härte darstellt, die durch nichts gerechtfertigt ist. Schon jetzt leben in Deutschland viele Doppelstaatsbürger über 25 Jahren, bei denen eine erzwungene Entscheidung als unzumutbar angesehen wird (z.B. Spätaussiedler). Von „Rosinenpicken“ kann nicht die Rede sein, da bei Doppelstaatsangehörigkeiten völkerrechtlich das Prinzip einer aktiven und einer ruhenden Staatsangehörigkeit gilt. In Zeiten einer zusammenwachsenden Welt ist das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht ein durch nichts zu rechtfertigender Anachronismus, auf den die meisten anderen Staaten verzichten. Aufgrund von Gefälligkeitspolitik und aus Angst vor einer weiteren CDU-Schmuddelkampagne auf die sachlich richtige Lösung zu verzichten, kann nicht der richtige Weg sein. Es muss Aufgabe aller gesellschaftlichen Gruppen und politischen Parteien sein, die sich für Weltoffenheit und Toleranz aussprechen, für die grundsätzliche Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft zu werben.


Integrationsförderung

Um in Deutschland lebende Bürger ausländischer Herkunft in die Gesellschaft zu integrieren, dürfen einige Kosten und Mühen nicht gescheut werden. Die Sprache stellt einen Schlüssel zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Integration dar, weshalb eine umfassende Sprachförderung insbesondere für Kindergartenkinder und Schüler aller Altersstufen zur Verfügung stehen muss. Auch soll im Unterricht auf die Schüler ausländischer Herkunft und ihre Kultur eingegangen werden, um Verständnis für den anderen zu wecken. Ein Klima der Toleranz und des Respekts ist wesentliche Voraussetzung für ein harmonisches Zusammenleben von Bürgern unterschiedlicher Nationalität und Herkunft. Auf Bürokratismen, mit welchen sich die Bürger ausländischer Herkunft unnötigerweise auseinandersetzen müssen, ist zu verzichten. Zudem muss es möglich sein, dass diesen Bürgern Raum für die Pflege ihrer Traditionen und Wertvorstellungen gegeben wird.


Zuwanderung regeln

Migration und Zuwanderung prägen seit Jahrzehnten die gesellschaftliche Situation in Deutschland und Mitteleuropa. Nach den Heimatvertriebenen in Folge des Zweiten Weltkriegs waren es in der Zeit des Wirtschaftswunders vor allem dringend benötigte Gastarbeiter aus dem Mittelmeerraum, die nach Deutschland kamen. In den 80er- und 90er-Jahren kamen vor allem Flüchtlinge aus der Dritten Welt und Spätaussiedler aus Osteuropa. Wir halten an den Bestimmungen des Bundesvertriebenengesetzes zur Einreise der Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion fest. Trotzdem ist Deutschland de jure kein Einwanderungsland, d.h. es besteht nicht die Möglichkeit, legal nach Deutschland einzuwandern. Deshalb sind auch Menschen, die beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen, gezwungen, sich als politisch Verfolgte auszugeben und Asyl zu beantragen. Dieser Umstand führt dazu, dass ein hoher bürokratischer Aufwand in den Anerkennungsverfahren getrieben werden muss und die Quote der anerkannten Asylbewerber denkbar niedrig ausfällt (momentan ca. 3 %). Gerade dies macht das Asylrecht so angreifbar für allerlei Polemik, denn die falsche Schlussfolgerung, das Asylrecht werde missbraucht, liegt nahe. Tatsache ist aber, dass es keine rechtliche Regelung zu einer legalen Einwanderung gibt. Deshalb schlagen die Jungen Liberalen ein Einwanderungsgesetz vor, welches das Asylrecht entlasten soll. Zuwanderung ist überdies auch aus demographischen Gründen geboten, da ohne Einwanderer die Balance zwischen Jung und Alt in Deutschland aus den Fugen geraten würde und weder Wirtschaftswachstum noch Sozialstaat aufrechterhalten werden könnten. Das Einwanderungsgesetz schreibt eine jährliche Gesamthöchstzahl von Zuwanderern vor. Für die einzelnen Zuwanderergruppen werden Teilquoten festgelegt, z.B. für Menschen, die im Zuge des Familiennachzugs einreisen oder dauerhaftes Aufenthaltsrecht besitzen, für sog. Kontingentflüchtlinge und für Arbeitszuwanderer. Die Auswahl der Arbeitszuwanderer richtet sich auch am wirtschaftlichen Interesse der bundesdeutschen Gesellschaft aus, das bisher oftmals ordnungspolitischer Prinzipienreiterei zum Opfer fiel. Unabhängig vom Einwanderungsgesetz und deshalb nicht in die Gesamtberechnung mit einzubeziehen sind Bürgerkriegsflüchtlinge, Ausländer, die hier ein Studium absolvieren oder aus anderen Gründen nur für einen feststehenden Zeitraum in Deutschland bleiben. Die Höchstzahlen und die Quotenverteilung legt eine unabhängige Kommission von Sachverständigen fest. Die mit den Asyl- und Zuwanderungsverfahren befassten Verwaltungs- und Justizbehörden sind personell so auszustatten, dass eine schnelle Entscheidung getroffen werden kann. Dies liegt sowohl im Interesse der Betroffenen als auch im Interesse der bundesdeutschen Gesellschaft.


Arbeitserlaubnispflicht abschaffen!

Die Arbeitserlaubnispflicht für Ausländer, sowie das Arbeitsverbot für Asylbewerber, muss abgeschafft werden. Bürger ausländischer Herkunft sollen das Recht haben, hier zu arbeiten und für ihren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Auf diese Weise übernehmen sie soziale Verantwortung, zahlen in Sozialkassen ein und entlasten diese sowie die kommunalen Haushalte. Auch ist dies ein Beitrag zur wirksamen Bekämpfung von Schwarzarbeit und Kriminalität.


Green Card – Kinder und Inder!

Die Möglichkeit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und Arbeitsgenehmigung (Green Card) für ausländische Fachkräfte in Wirtschaft und Wissenschaft ist zu schaffen. Dies ist nicht nur wegen des akuten Mangels an Fachkräften in vielen Branchen notwendig, sondern auch grundsätzlich geboten, damit Deutschland in Zeiten von Informationsgesellschaft und Globalisierung nicht aufgrund kleinmütiger Ordnungspolitik den Anschluss verpasst und wirtschaftlich in vielen Bereichen ins Hintertreffen gerät. Die Green Card ersetzt nicht die Notwendigkeit einer Verbesserung der Ausbildung in den fraglichen Branchen bzw. einer besseren Abstimmung zwischen der Wirtschaft und ihrem Fachkräftebedarf sowie den Bildungseinrichtungen. Dass man vor der Alternative steht, entweder mehr für Bildung und Ausbildung zu unternehmen, oder unbefristete Aufenthaltsgenehmigungen zu erteilen, zeugt – vorsichtig ausgedrückt – von schlichtem Geist. Der ehemalige CDU-Zukunftsminister Rüttgers („Kinder statt Inder“) betreibt hiermit eine rückwärtsgewandte Politik, die lediglich darauf spekuliert, mit fremdenfeindlichen Parolen Stimmen zu gewinnen.

Eine Arbeitsgenehmigung macht nur unbefristet Sinn, da eine befristete Arbeitserlaubnis für qualifizierte Fachkräfte keine Lebensperspektive bietet und daher nicht die geeigneten Kräfte anziehen wird. Hinzu kommt die Konkurrenz der USA, die unbefristete Green Cards erteilt.


Asyl

Unabhängig vom Einwanderungsgesetz, da nicht durch Quoten zu erfassen, ist das Recht auf Asyl. Wer politisch verfolgt ist, muss dieses Grundrecht einklagen und in Anspruch nehmen dürfen. Das Asylrecht ermöglicht den Betroffenen einen subjektiven Rechtsanspruch, während sich das Einwanderungsgesetz auch an den Bedürfnissen der bundesdeutschen Gesellschaft orientiert. Das Einwanderungsgesetz sorgt dafür, dass das Asylrecht wieder seinen ursprünglichen Zweck erfüllen kann. Ein Antrag auf Zuwanderung und Asyl schließen sich daher gegenseitig aus, d.h. der Betroffene muss sich entscheiden, ob er einen Antrag auf Asyl oder Einwanderung stellt.

Die Drittstaatenregelung, die Flüchtlinge, welche über ein Drittland einreisen, dorthin ungeachtet der politischen Verhältnisse in dem betreffenden Land zurückschickt, ist abzuschaffen. Sie führt lediglich dazu, dass nur illegale Einreisende oder reiche Einreisende, die sich einen Flugschein leisten können, nicht sofort wieder zurückgeschickt werden können.


Für eine europäische Asylregelung

Die grenzüberschreitende Asyl- und Flüchtlingsproblematik macht eine gemeinsame europäische Asylregelung notwendig. Diese Regelung soll sich, um einen entscheidenden Beitrag zu mehr Humanität im Asylverfahren zu leisten, strikt am Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention orientieren und somit auch nichtstaatliche Verfolgung als politische Verfolgung anerkennen, wie es der Europäische Menschenrechtsgerichtshof tut. Die Gewährung von Asyl für Flüchtlinge politischer Verfolgung ist fester Bestandteil der europäischen Wertegemeinschaft. Deutschland sollte sich nicht durch eine ohnehin im europäischen Vergleich sehr restriktive Asyl- und Einwanderungspolitik zum Außenseiter machen, sondern aktiv an einer humanitär und wirtschaftlich begründeten europäischen Flüchtlings- und Einwanderungspolitik mitwirken. Mindeststandard einer europäischen Asylregelung sind für die Liberalen die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention. Eine europäische Einigung über Mindeststandards ermöglicht eine gerechte Lastenverteilung in Europa, so dass die Flüchtlinge gleichmäßig über Europa verteilt werden. Auf diese Weise kann auch erreicht werden, dass jeder Flüchtling nur einen Asylantrag in Europa stellt. Über die Mindeststandards hinausgehende Regelungen sind möglich, der entsprechende Staat hat jedoch die Kosten, die sich infolge einer solchen Regelung ergeben (z.B. Unterhalt der Flüchtlinge) selbst zu tragen.


Entwicklungshilfe

Flucht und Verfolgung treten vielerorts in der Welt auf und haben unterschiedliche Ursachen. Die Lösung der Flüchtlingsfrage muss an den Ursachen ansetzen. Zur Bekämpfung dieser Ursachen kommt der Entwicklungshilfe vor Ort im Sinne einer langfristig angelegten Prävention eine besondere Bedeutung zu. Diese muss entsprechend auch bei der europäischen Mittelvergabe berücksichtigt werden.

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