06.10.2018

Schaffe, schaffe, Häusle baue

Der akute Wohnungsmangel bereitet vielen jungen Menschen gerade in den Ballungsräumen schlaflose Nächte. Nicht nur in Stuttgart, das als sogenannte A-Stadt besonders hohe Mieten und Kaufpreise sowie eine starke Zunahme zu verzeichnen hat, sondern auch in vielen anderen Regionen Deutschlands und Baden-Württembergs sind die Mieten für junge Menschen inzwischen kaum mehr erschwinglich. Der Traum von den eigenen vier Wänden ist immer schwieriger zu verwirklichen. Die Preissteigerungen beruhen vor allem auf steigenden Bürokratiekosten sowohl beim Bau als auch bei der Instandhaltung, steigender Nachfrage und gestiegenen steuerlichen Belastungen. Die Kaufpreise steigen auch als Folge der Niedrigstzinspolitik der Europäischen Zentralbank, so dass hier die Gefahr einer Blasenbildung entsteht.

Die Wohneigentumsquote in Deutschland stagniert auf niedrigem Niveau, sie ist die niedrigste in der Europäischen Union. Gleichzeitig würde eine überwältigende Mehrheit lieber im Eigenheim als zur Miete wohnen.

Im Wohnungsmarkt liegt derzeit eine klassische Interventionsspirale vor: Durch Eingriffe in das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter wird kurzfristig der Mieter besser gestellt. Dadurch wird es relativ attraktiver, an dem betreffenden Ort Mieter zu sein, und unattraktiver, Wohnraum zur Verfügung zu stellen – der Anreiz für Neubauten und Renovierungen sinkt, mehr Mieter wollen zuziehen, Wohnraum verknappt sich und wird teurer; die Erwartung weiterer Preissteigerungen kann Inaktivität weiter befördern. Der teure Wohnraum rechtfertigt dann weitere staatliche Eingriffe, welche häufig die Fehlallokation weiter verstärken. Am Ende dieser Spirale stehen Enteignungen und Verstaatlichungen, wie sie derzeit bereits von der Landesregierung angedacht sind. Dies löst jedoch das Problem knapper Ressourcen nicht, sondern verlagert lediglich Kosten und begünstigt Korruption. Der Staat ist hier das Problem, die Lösung liegt in der Zurückhaltung des Staates und der Aufhebung staatlicher Eingriffe.

Wir Junge Liberale Baden-Württemberg wollen kein Volkseigentum, sondern ein Volk der Eigentümer. Wohnen muss bezahlbar sein, der Traum von Eigentumsbildung und Selbstverwirklichung durch die eigenen vier Wände muss für Bürgerinnen und Bürger aus der Mitte der Gesellschaft erfüllbar sein. Wir wollen Bauen vereinfachen statt Mangel verwalten.

Wohnflächen schaffen

Das oberste Ziel der gegenwärtigen Wohnungspolitik muss die Schaffung zusätzlicher Wohnflächen sein. Folgende Maßnahmen tragen unmittelbar dazu bei:

  • Wir fordern die Bundes- und Landesregierung auf, Bauflächen in Bundes- und Landesbesitz zur Bebauung zur Verfügung zu stellen. Hierbei würden wir eine zweckgebundene Veräußerung bevorzugen.
  • Baden-Württemberg muss eine kohärente Strategie zum Flächenressourcen-Management entwickeln.
  • Angesichts der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt und dem Mangel an Bauland fordern wir die Aussetzung des von der Landesregierung angepeilten Ziels der “Netto-Null” bei der Flächeninanspruchnahme. Die ohnehin schon ambitionierten Ziele des Bundes, die eine jährliche Flächenneuinanspruchnahme von ca. zehn Quadratkilometern in Baden-Württemberg erlauben würden, dürfen nicht noch weiter verschärft werden.
  • Große Zeit- und Kostensparpotenziale kann das modulare Bauen bieten. Die Immobilien bestehen dabei aus vorgefertigten Bestandteilen, die nach einer Art Baukastenprinzip zusammengesetzt werden können. Die Politik muss mittels standardisierter Baugenehmigungen die Weichen dafür stellen, dass neben der klassischen Einzelfertigung im Bereich des seriellen Bauens prototypisches Bauen mit industrieller Fertigung ermöglicht wird.
  • Besonders vielversprechend ist die Nachverdichtung bestehenden Wohnraums. Durch Leichtbauweise können häufig günstig ein bis zwei Stockwerke auf bestehende Gebäude aufgestockt werden. Dies wird derzeit häufig durch bürokratische Hürden verhindert, die wir abbauen wollen. Auch Aufstockungen auf Supermärkten und die Überbauung von Parkplätzen dürfen nicht an bürokratischen Hürden scheitern. Dementsprechend müssen Bauverordnungen und folglich ebenso Bebauungspläne auch nachträglich noch abgeändert werden können. Umwidmungen bestehender Dachgeschosse zur Schaffung von Wohnraum müssen weitestgehend verfahrensfrei vorgenommen werden können.
  • Um die Sogwirkung in die Städte zu lindern ist es für uns essentiell, das Wohnen auf dem Land attraktiver zu gestalten. Wir fordern daher eine Neufassungs des Landesentwicklungsplans, die eine Belebung und Verdichtung von Ortskernen, einen Infrastrukturausbau (insbesondere in der Digitalinfrastruktur) und eine bessere Anbindung des Ländlichen Raums mit dem ÖPNV ins Auge fasst. Wir begrüßen diesbezüglich ausdrücklich europäische Förderinitiativen wie LEADER und fordern die Landesregierung dazu auf, den Kommunen in den Förderregionen mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung der Projekte (Umbrella-Projekte & Multifonds-Ansatz) einzuräumen. Alle Förderprogramme (ELR, EFRE, Landessanierungsprogramm) sollen auf Landesebene zentral koordiniert werden.
  • Im Mietrecht ist eine angemessene Balance zwischen Vermieter und Mieter zu wahren. Dies gilt insbesondere für die maßvolle Verteilung der Aufwendungen für Schönheitsreparaturen, kulante Fristen bei Kündigung wegen Eigenbedarfs und Mietzinserhöhungen nach wertsteigernden Sanierungen. Im Falle von „Mietnomaden“ wollen wir Vermieterrechte stärken und eine schnellere Räumung ermöglichen.
  • Neue Wohnformen wie Mehrgenerationenhäuser und Seniorenwohngemeinschaften gewinnen zusehends an Akzeptanz im Wohnungsmarkt und stellen einen wertvollen Beitrag zur Vielfalt in Stadtvierteln dar. Wir wollen den Kommunen bei der Einrichtung dieser Wohnformen unter die Arme greifen und die förderungswürdigen Ausgaben innerhalb des Bundesprogramms Mehrgenerationenhaus auch auf investive Ausgaben erweitern.
  • Die Bundesmittel zur Wohnungsbauförderung müssen zweckgebunden verwendet werden, statt in den Kassen von Ländern und Kommunen zu versickern. Die gegenwärtige Verwendung der Kompensationszahlungen des Bundes und die Wohnraumschaffung sollen auf Länderebene evaluiert werden. An der kooperativen Förderung durch Land und Bund wollen wir festhalten, die jährliche Wohnungsbauförderung auf ein das Niveau vergleichbarer Bundesländer anpassen.
  • Der soziale Wohnungsbau ist ein ineffizientes Instrument zur Unterstützung von Personen, die Probleme haben, eine für sie bezahlbare Wohnung zu finden. Die entsprechenden Mittel sind besser zur direkten Unterstützung finanzschwacher Wohnungssuchender einzusetzen.
  • Speziell die Hochschulstädte Baden-Württembergs kämpfen mit überhitzten Wohnungsmärkten. Wir streben daher ein Sonderprogramm des Landes nach hessischem Vorbild an, das es sowohl Studierendenwerken als auch privaten Trägern ermöglicht, durch Baukostenzuschüsse und vergünstigte Kredite studentischen Wohnraum zu schaffen.
  • Zur Bereitstellung günstigen Wohnraums muss gegen Leerstand vorgegangen werden. Kooperative Ansätze wie das Karlsruher Modell zwischen Eigentümern und Kommunen können dabei landesweiten Vorbildcharakter haben. Bebauungspflichten lehnen wir ab, sofern sie sich nicht aus einer zweckgebundenen Grundstücksübereignung ergeben.
  • Die kritische Überprüfung und Verschlankung bestehender staatlicher Förderprogramme muss angestrebt werden. Durch rechtliche, praktische und steuerliche Erleichterungen bei der Erstellung von Wohnraum können Förderprogramme zukünftig weitgehend entfallen und der Staatshaushalt wird bei stärkerer Bauleistung nicht zusätzlich belastet.

Attraktiver Steuerrahmen

Der Wohnungsbau wird derzeit durch den sich regelmäßig verschlechternden Steuerrahmen erschwert. Dabei werden auf der einen Seite höhere Steuersätze beschlossen, auf der anderen Seite werden Abschreibungsmöglichkeiten immer weiter zurückgefahren. Mit folgenden Maßnahmen wollen wir gegensteuern:

  • Die Grunderwerbsteuer in Baden-Württemberg soll von 5,0 Prozent auf den früheren Satz von 3,5 Prozent gesenkt werden. Darüber hinaus wollen wir einen Freibetrag von bis zu 500.000 Euro einführen. Der Freibetrag soll für den Erwerb von Wohnimmobilien durch natürliche Personen gelten.
  • Bei der Bebauung eines bisher unbebauten Grundstücks fallen auf die bereits umsatzsteuerbelasteten Baukosten noch Grunderwerbssteuern an. Diese Doppelbesteuerung wollen wir abschaffen.
  • Share Deals, also die gezielte Gestaltung einer Grundstücksübereignung durch die Veräußerung von Geschäftsanteilen, müssen verhindert werden, sofern sie überwiegend zur Umgehung der Grunderwerbsteuer dienen.
  • Um den Rückstau von deutschlandweit 1,5 Millionen fehlenden Wohnungen zu beheben, begrüßen wir die Einführung einer zeitlich begrenzten Sonderabschreibung. Im Regelfall sollte sich der Abschreibungssatz allerdings an dem realen kumulierten Wertverzehr der Gebäudebestandteile orientieren, um so eine steuerliche Neutralität zu gewährleisten. Dieser liegt bei etwa 4 Prozent. Daher fordern wir eine Anhebung der linearen Abschreibungsmöglichkeiten von derzeit 2 Prozent auf 4 Prozent.
  • Die Wiedereinführung der Grundsteuer C lehnen wir ab. Sie hat bei ihrer ersten Einführung das Gegenteil ihres beabsichtigten Zwecks erreicht: bebaubare Fläche künstlich verknappt, Spekulation befeuert und insbesondere finanzschwache Bürgerinnen und Bürger schlechter gestellt. Diesen Effekt erwarten wir auch bei einer Wiedereinführung. Perspektivisch fordern wir im Zuge einer Neuaufstellung der kommunalen Finanzen die generelle Abschaffung der Grundsteuer.
  • Mobilität ist Kern unserer modernen Gesellschaft. Insbesondere junge Menschen unterliegen daher jedoch häufig kommunalen Zweitwohnungssteuern. Diese lehnen wir vollumfänglich ab.

Bürokratie beseitigen

Etwa 40 Prozent der Kostensteigerung im Wohnungsbau gehen auf gestiegene technische Anforderungen zurück. Auch hier muss eine Trendwende her – mit folgenden Maßnahmen:

  • Eine Novelle der Landesbauordnung, die bevormundende Auflagen reduziert und sich strikt an den Mindestanforderungen der Musterbauordnung des Bundes orientiert ist überfällig und muss umgehend initiiert werden.
  • Der Bund sollte die stetige Zunahme kostenverursachender Anforderungen transparent machen. Um die Folgen von Bürokratiekosten offen darzulegen fordern wir eine verpflichtende Folgenabschätzung für alle Entwürfe von Gesetzen, Verordnungen und Normen. Der Prüfbericht muss um die Auswirkung auf Wohnkosten ergänzt werden.
  • Das sogenannte „Goldplating“, also die zusätzliche Verschärfung bei der Umsetzung von EU-Richtlinien, lehnen wir ab. EU-Richtlinien sind grundsätzlich 1:1 umzusetzen.
  • Derzeit gibt es Rechtsprechung, wonach der anerkannte Stand der Technik zu erfüllen ist – dieser geht häufig deutlich über die sonstigen rechtlichen Mindeststandards hinaus.  Besser wäre, wenn bestehende Standards auch rechtssicher umgesetzt werden könnten. Allgemeine, unspezifische Hinweise auf den Stand der Technik oder Verordnungsermächtigungen machen den Bau bürokratisch und kompliziert. Besser wären konkrete und verständliche Regeln, die für alle ersichtlich in der Bauordnung stehen.
  • Mietpreisbremse und Kappungsgrenzen-Verordnung sind als fehlgeleitete Markteingriffe ersatzlos zu streichen. Insbesondere energetische Sanierungen stellen häufig auch für den Mieter einen Mehrwert dar und rechtfertigen daher maßvolle Mietzinserhöhungen. Im Sinne der Markttransparenz ist die flächendeckende Aufstellung von Mietspiegeln ein wichtiges Mittel, um Mietern einen besseren Eindruck über die Marktrealitäten zu geben.
  • Wir begrüßen die Sharing Economy als einen Weg, knappe Ressourcen möglichst effizient zu nutzen. Die private Untervermietung von Wohnraum muss auch weiterhin einfach möglich sein, Einschränkungen wie beispielsweise Zweckentfremdungsverbote lehnen wir ab. Damit traditionelle Hotelleriebetriebe hier keine Wettbewerbsnachteile erfahren, sollten sie mehr Spielräume erhalten.
  • Das Zweckentfremdungsverbot sollte die Umwandlung von Wohnraum in Gewerberaum verhindern. Inzwischen verhindert es die Umwandlung von Gewerbe- in Wohnraum. Auch dieser Markteingriff führt auf den Holzweg und ist ersatzlos zu streichen.
  • Wir fordern eine Flexibilisierung des Bauplanungsrechts. Ziel soll eine Reduzierung der Bearbeitungszeit der Bauantraege sein. Die rechtlich moeglichen E-Government Entwicklungen sollen von den zustaendigen Behoerden genutzt werden.
  • In diesem Zusammenhang wollen wir die Amtsstuben auf die Herausforderungen der Bauwerksdatenmodellierung (Building Information Modeling) vorbereiten. Der Stufenplan Digitales Bauen und Wohnen, der sich aktuell noch auf Verkehrsinfrastrukturprojekte beschränkt, soll auf alle Bauprojekte ausgeweitet werden. Durch bessere Vernetzung aller Stakeholder während Planung, Ausführung und Nutzung können Kosten minimiert und Baurisiken abgemildert werden.

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